De grote Tohne
Der große Zeh
Jan harr sück besehrt. Gein Bröke off ein Arm ut Litt,
nee, bloot ein lüttje Sköör in de Finger. Sall wall van
sülvt weer in de Riege koomen. Man ein paar Dage
later begünnde dat tau puckern un dann was dat
miteins swullen. Ein Finger as ein Wurst, dej up't
Knappen stunn.
Jan hatte sich verletzt. Kein Bruch oder ein
ausgekugelter Arm, nein, nur ein kleiner Riss im
Finger. Wird wohl von selbst wieder in Ordnung
kommen. Aber ein paar Tage später begann das zu
pochen und dann war es plötzlich geschwollen. Ein
Finger wie eine Wurst, die vor dem Platzen stand.
Daar hulp all nix, he muss na de Doktor. Man dej
was d'r neit, he harr ein ander Hülpe, ein Vertreter,
ein Doktor van de Marine, ein groffe Keerl. Man de
Piene was groot. Dat dürde man ein kaart Settje,
daar kwamm he drinbrusen as ein Dreejmastschoner
rund Kap Hoorn. „Zeig her die Flosse!“, bölke he,
freewat butt in de Mund. Dann kneep de fieleinege
Keerl wat up de sehre Finger um, dat Jan um Lücht
hiemde. Was dat nödeg? Man sull hum eine an de
Hals houen.
Es half alles nichts, er musste zum Doktor. Aber der
war nicht da, er hatte eine andere Hilfe, eine
Vertretung, ein Arzt von der Marine, ein grober Kerl.
Aber der Schmerz war groß. Das dauerte nur eine
kurze Zeit, da kam er reingerauscht wie ein
Dreimastschoner rund Kap Hoorn. „Zeig her die
Flosse!“ brüllte er, sehr derb im Mund. Dann kniff
der bösartige Kerl auf dem verletzten Finger, dass
Jan nach Luft keuchte. War das nötig? Man sollte
ihm einen an den Hals hauen.
“Ab zum Krankenhaus! Schneiden!“ blaffde de
Doktor un was an't slickmundjen. Jan harr dat
Ziekenhuus noch noit van binnen seihn, dat was tau
dej Tied noch in de Diekstrate. Kwamm man van de
Süderstrate, muss man an de reformeierde Karkhoff
vörbi. Mit de Doden kwammen de Lü van de ander
Siet, bi Dahlmeyer um de Hauk. De Patienten gungen
achter um tau na't Krankenhuus, daar wa de olde
Leichenhalle stunn. Ein bitje wieder was de
Isolierstation.
„Ab zum Krankenhaus! Schneiden!“ bellte der
Doktor genüsslich (hier: sich auf das Essen freuen). Jan
hatte das Krankenhaus noch nie von innen gesehen,
das war in jener Zeit noch in der Deichstraße. Kam
man von der Süderstraße, musste man am refor-
mierten Friedhof vorbei. Mit den Toten kamen die
Leute von der anderen Seite, bei Dahlmeyer (hier:
Eckhaus mit der Familie Dahlmeyer) um die Ecke. Die
Patienten gingen hinter herum zum Krankenhaus,
da wo die alte Leichenhalle stand. Ein wenig weiter
war die Isolierstation.
Jan stappde tau de Achterdör in, up de linke Siet
was ein lüttje Upkamer. Sitten un wachten. An de
Müre hungen de sneejwitte Kittels van de Börkumer
Doktors, fein eineg stuuv binander mit de Name d'r
over. Ein Schwester kwamm mit ein Baukje as ein
Schaulheft un wull wat weiten:
Jan stapfte zur Hintertür rein, auf der linken Seite
war ein kleines Zimmer (hier: Upkamer – ein kleiner Raum
über dem Keller). Sitzen und warten. An der Mauer
hingen die schneeweißen Kittel der Borkumer
Doktoren, fein dicht beieinander mit dem Namen
darüber. Eine Schwester kam mit einem Büchlein
wie ein Schulheft und wollte etwas wissen:
Name? Geboren? Wenn Ja, warum un all sückse
Künsten. Na ein Sett kwamm ein ander mit witte
Schuude mit ein allemachdeg Spritze. “Zur
Betäubung!“ smüsterlachde seej. Wat bin dat för
Mensken. Sülvst hett man haast de Dood för de
Oogen un dej könen noch lachen. Man is ja neit
sehrkelleg un dat Puckern is uk all minder. Man kann
ja uk na Huus gahn un de Finger in greune Seipe
baden. Helpt seker völ beter.
Name? Geboren? Wenn Ja, warum und all diese
Faxen. Nach einer Zeit kam eine andere mit weißer
Schürze mit einer gewaltigen Spritze. “Zur
Betäubung“ schmunzelte sie. Was sind das nur für
Menschen. Selbst hat man fast den Tod vor den
Augen und die können noch lachen. Man ist ja nicht
wehleidig und das Pochen wird auch schon weniger.
Man kann ja auch nach Hause gehen und den Finger
in grüner Seife baden. Hilft sicher viel besser.
„Mitkommen!“ Ein Dragoner van Froumenske leip
mit Jan dör de lange düster Flur in de lüttje
Operationsruum. Daar stunn he nu. Verlaaten,
sünder Hülpe. In de Hauk stunn de Doktor mit ein
leeren Schuude vör as ein Schlachter in de
Wurstköken. Sien Oogen tinkelten. Dej Mann is uk
noch Jager un weit seker heil genou, hau man ein
Kniene fillt off ein Aante de Strött dörsnitt.
“Mitkommen!“ Ein Dragoner von Frauenzimmer
(hier: Frauenmensch) lief mit Jan durch den langen
düsteren Flur in den kleinen Operationsraum. Da
stand er nun. Verlassen, ohne Hilfe. In der Ecke
stand der Doktor mit einer ledernen Schürze (vor)
wie ein Schlachter in der Wurstküche. Seine Augen
glitzerten. Der Mann ist auch noch Jäger und weiß
sicher ganz genau, wie man ein Kaninchen häutet
oder einer Ente den Hals durchschneidet.
“Hinlegen!“ kwamm dat Kommando. Jan leit sück
sachte up de kolde Tavel glieden, man skoot as ein
Stahlfeere weer umhoog. He waarde anblafft um
sien Skau un dat moje süwer Laken. Daar satt he nu
tau knüsseln mit sien Skaubanden. Rechte Skau ut,
linke Skau ut. Man wat was dat? Ut ein Strümpe
luurde de groote Tohne neesgiereg na buten.
S'mörgens was doch noch all in de Riege west. Un
nu dat! Wat schenant för de frömde Lü.
“Hinlegen!“, kam das Kommando. Jan ließ sich
vorsichtig auf den kalten Tisch gleiten, aber schoss
wie eine Stahlfeder wieder hoch. Er wurde angebellt
wegen seiner Schuhe und dem schönen sauberen
Laken. Da saß er nun zu fummeln mit seiner
Schuhbändern. Rechter Schuh aus, linker Schuh
aus. Aber was war das? Aus einem Strumpf lauerte
der große Zeh neugierig nach draußen. Morgens
war doch noch alles in Ordnung gewesen. Und jetzt
das! Wie peinlich vor den fremden Leuten.
Man he harr gein Tied tau siemeleiern. De Froulü un
de Doktor harrn dat drock un wassen an't pieren:
Tau! Flügg up! Jan in sien Nood haalde de Strümpe
so'n bitje an un friemelde hör un de Tohnen fast. So
muss dat gahn. De Baul düchdeg binander kniepen.
Aber er hatte keine Zeit zu überlegen. Die Frauen
und der Doktor hatten das eilig und waren am
sticheln: Zu! Wohlauf! Jan in seiner Not zog den
Strumpf ein wenig an und fummelte ihn unter den
Zehen fest. So musste das gehen. Die Sache tüchtig
zusammen kneifen.
As Jan nu weer up de Rügge lagg un de Doktor
begünnde tau snippeln, see dat miteins van „Pling“
un de dicke Ulfert stunn as ein Höftpahle pieleliek in
de Höchte. Dat sagg ut as ein old Wiev mit ein
Swanehals un ein sülvst gebraide Borstrunje
drumtau.
Als Jan nun wieder auf dem Rücken lag und der
Doktor anfing zu schnippeln, sagte das plötzlich
„Pling“ und der dicke Ulfert (hier: scherzhaft für Vollmond)
stand wie ein Buhnenpfahl pfeilgerade in der Höhe.
Das sah aus wie ein altes Weib mit einem
Schwanenhals und eine selbst gestrickte Unterjacke
drum herum.
Jan hett de Baul overleevt, man he is nu heil
versichdeg. Uk as he na't de Barbier tau Haarsnieden
geiht, treckt he frisse Strümpen an.
Jan hat die Sache überlebt, aber er ist nun ganz
vorsichtig. Auch wenn er zum Friseur geht zum
Haareschneiden, zieht er frische Strümpfe an.