Doktor in Huus
Doktor im Haus
Daar kwamm vör Jahr un Dag ein oldere Börkumer
Frou bi de Doktor, glee wat up de Staule hen un her
un kwamm mit hoge Woord d'r neit ut. De Doktor,
sülvst ein Börkumer Jung, bedaade hör: Wat is d'r
dann? Waar deit dann seer? Dej Frou haalde ein
deipe Sücht: Tiss ja neit um mi, ik hebb ja so Sörge
um mien Manntje. He geiht ja neit na de Doktor, dat
bin all Klamphouers, seggt he. Man ik bin so benaut
– Nee, tiss ja schenant tau vertellen, ik mag haast
neit seggen. Jeißes, Nee, see de Doktor, wi bin ja all
utwussen Lü, drut mit de Woorden.
Da kam vor vielen Jahren (hier: Jahr und Tag) eine
ältere Borkumer Frau zum Doktor, rutschte auf dem
Stuhl hin und her, kam nicht zu Potte [hier: mit dem
hohen Wort nicht heraus]. Der Doktor, selbst ein
Borkumer Junge, beruhigte sie: Was ist denn los?
Wo tut es denn weh? Die Frau seufzte [hier: holte einen
tiefen Seufzer]: Es ist ja nicht wegen mir, ich habe ja
solche Sorgen um meinen Mann [hier: Männchen]. Er
geht ja nicht zum Doktor, das sind alles Pfuscher
[hier: wörtlich schlechte Handwerker], sagt er. Aber ich bin
so bedrückt [ängstlich] – es ist so peinlich zu
erzählen, ich mag es fast nicht sagen. Jesus, Nee,
sagte der Doktor, wir sind ja alle erwachsene Leute,
raus mit den Worten.
Tja, kiekes, Herr Doktor, ik will't man liekut seggen,
man ik dau mien Oogen na beneden. In't greune
Blattje un Apotheker-Rundschau hebb ik lesen, dat
oldere Keerls bitieden Last hebben, as seej ut de Büx
mutten, mit ein Woord: mien Keerlke, he flüggt mi
tau faak up Hüsche!
Tja, guck Herr Doktor, ich will es geradeaus sagen,
aber ich mache [hier: tue] meine Augen nach unten.
Im Grünen Blättchen und in der Apotheker-
Rundschau habe ich gelesen, dass ältere Kerle
bisweilen Last (Mühe) haben, wenn sie aus der Hose
müssen, mit einem Wort, mein Mann [hier
Kerlchen- Kosename für männliches Kind] läuft [hier:
fliegt] zu oft zur [hier: auf] Toilette.
Tja, see de Doktor, daar is wat an. Dat gebört fakers,
daar mutt man ein Oog up hebben. Man wat nu? As
ik mit mien Fingers neit an sien Licham dör, kann ik
d'r nix wieder over seggen.
Tja, sagte der Doktor, das stimmt [hier: da ist was dran].
Das passiert öfter, das muss man im Auge behalten
[hier: da muss man ein Auge drauf haben]. Aber was jetzt?
Wenn ich mit meinen Fingern nicht an seinen
Körper darf, kann ich da nichts weiter drüber sagen.
Kiek, see dat Froumenske, ik hebb mi so docht, off
dat wall angahn kunn, ji bin doch ein olde Fründ van
mien Macker, hebben in de Skaule up sülwegste
Bankje setten. As Ji man even bi uns inluuren, mag
ja wesen, dat he dann wat ein bitje mehr proot un
neit so stiekum is as alltied un ji könen hum
overhaalen, sück underseuken tau laaten. Man Ji
dörn neit flappen, anders is he lelk un de heile Dag
an't murtjen.
Kuck, sagte die Frau [Frauenzimmer], ich habe mir so
gedacht, ob das wohl angehen kann, Sie sind doch
ein alter Freund von meinen Mann [Mitgesellen], haben
in der Schule auf der gleichen Bank gesessen. Wenn
Sie eben bei uns reingucken, mag ja sein, dass er
dann etwas gesprächiger ist, nicht so verschwiegen
[oder heimlich] wie sonst immer und Sie könnten ihn
überzeugen [hier: überholen] sich untersuchen zu
lassen. Aber Sie dürfen mich nicht verraten [.. Sie
dürfen nicht petzen, ..], sonst ist er böse und den ganzen
Tag am Murren [brummen].
De olde Doktor harr d'r nix up teegen un ein paar
Dage later stunn he bi dat Paartje up Drüppel. De
Heer van't Huus keek freewat verbaast, man neugte
hum in de beste Vörkamer. De Frou harr dat miteins
düchdeg drock, muss na de Pott kieken. De beide
Mannlü kwammen in't Gespreck, fungen an tau
akkedeiern over Ditjes un Datjes, over olde Tieden,
dej alltied völ beter bin as vandage.
Der alte Doktor hatte nichts dagegen und ein paar
Tage später stand er bei dem Pärchen auf der
Türschwelle. Der Herr des Hauses guckte etwas
betroffen, aber er nötigte ihn in das gute Wohn-
zimmer [hier: vorderstes Zimmer, das tägliche Leben spielte
sich in der Küche ab]. Die Frau hatte miteins viel zu tun,
musste nach dem Topf gucken. Die beiden Männer
kamen ins Gespräch, fingen an zu diskutieren über
Dieses und Jenes, über alte Zeiten, die immer viel
besser sind als heutige.
Süchst bestgaud ut, see miteins de Doktor, Kopp as
ein Brickje, Pans as ein Amtmann, moij glatt in't Fell.
Tja, smeet sück de Olde in de Borst, wat will d'r van
seggen. Eeten un Drinken wall lecker, Dövke is an't
dampen. Achterpoortje is uk open, as de olde Doktor
Schmidt alltied seggt hett.
Siehst sehr gut aus, sagte plötzlich der Doktor, Kopf
wie ein Brikett [hier Presskohle, auch Tablett, Untersatz],
Bauch [hier: Wanst] wie ein Amtmann, schön glatt im
Fell. Tja, warf der Alte sich in die Brust, was soll's
[hier: was will man davon sagen]. Essen und Trinken
überaus lecker, das Pfeifchen ist am Dampfen,
Hinterpforte ist auch geöffnet, wie der alte Doktor
Schmidt immer gesagt hat.
Un hau is mit de Schürdör, wull de Doktor weiten.
Du weißt ja wall wi bin in de Jahren, uk daar mutt
man ein Oog up hebben. Sien Tegenover kwamm d'r
neit recht achter, man na ein kaart Settje harr d'r
begrepen, waar dat um gung. Och Gommes Nee, see
d'r, freewat butt in de Mund, daar hebb ik gein Last
van. Ik kann strullen as ein junge Voss.
Und wie ist es mit dem Scheunentor [hier: übertr.
Hosenstall], wollte der Doktor wissen. Du weißt ja
wohl, wir sind in den Jahren, da muss auch das im
Auge behalten werden [hier: auch da muss man ein Auge
drauf haben]. Sein Gegenüber kam erst nicht richtig
dahinter, aber nach einer kurzen Zeit hatte er
begriffen, wo es drum ging. Ach Gott [Anmerkung
Wörterbuch: och Gommes: Kontraktion von Gott mit uns] Nee,
sagte er, sehr gewöhnlich [im Mund], da habe ich
keine Probleme [hier: da habe ich keine Last von]. Ich
kann strullen wie ein junger Fuchs.
Na nu kiekes, see de Doktor, dann is ja all best up
Stee. Daar kann ja ein Lüttje up stahn. Tiss
nettekraat Tied för ein Elführtje. Hest gein Söpke bi
de Hand? Dat Woord was d'r noch neit heil drut,
daar skoot de Olle over't Ende, neide in Hundjedrafft
na de Dör, lurde um de Hauk un keek off Ollske d'r
wall was, kwamm up Toonjes weer taurügg, gung
sitten un see tegen de Doktor: Ik mutt di wat
vertellen. Ik mag ja so düwels geern ein lüttje
Söpke, neit tauvöl, nee, dagelk man tweeje off
dreeje. Man mien Ollske, dej Hellhaake, dej hett de
Pest in up de glujende Jenever.
Na nun guck, sagte der Doktor, dann ist ja alles in
bester Ordnung. Da kann ja ein Kleiner draufstehen.
Es ist gerade Zeit für ein Elführtje. Hast du keinen
[Schnaps] bei der Hand? Das Wort war noch gar nicht
ganz draußen, da schoss der Alte hoch, flitzte im
Hundetrab zur Tür, lauerte um die Ecke, ob die Alte
da wohl war, kam auf Zehen wieder zurück, ging
sitzen und sagte zu [hier: gegen] dem Doktor: Ich
muss dir was erzählen. Ich mag ja beim Teufel
gerne einen kleinen Schnaps, nicht zu viel, nee,
täglich nur zwei oder drei. Aber meine Alte, diese
herrschsüchtige zänkische Person [Schürhaken bei der
Feuerstelle ursprünglich] die hasst [hier: hat die Pest] den
glühenden Genever.
Nu sitt di daar eine tegenover tau kukeluren mit
kwade Oogen, daar flüggt di ja elke Drüppke dwars
dör de Gagel. Dann bin ik d'r bigahn un hebb mien
Buddel verstoppt an verskeiden Steen in Huus, man
dat was uk miss, dat was overall tau warm. Bi ein
Söpke mutt man moij fredelk sitten un geneiten un
de klare Jan Blixem mutt iskold wesen, dann is dat
lecker. Kiek un dann bin ik d'r achterkomen, waar
mien Slickereej gaut boorgen was un fein kold bleev:
in't Waterbackje boven over dat Hüsche. Un dat dat
so blifft, mutt ik nu fakers hen an de Kette tau
trecken!
Nun sitzt dir eine gegenüber zu lauern mit bösen
Augen, da fliegt dir ja jeder Tropfen quer durch die
Gurgel. Dann bin ich dabei gegangen und habe
meine Flasche [Buddel] versteckt an verschiedenen
Stellen im Haus, aber das war auch verkehrt, das
war überall zu warm. Bei einem Schnaps muss man
schön friedlich sitzen und genießen und der klare
„Jan Teufel“ muss eiskalt sein, dann ist das lecker.
Guck und dann bin ich dahinter gekommen, wo
meine Schleckerei gut aufbewahrt war und schön
kalt blieb: in dem Wasserkasten oben über der
Toilette. Und damit das so bleibt, muss ich öfter hin
und an der Kette ziehen!