Frou Pestoor
Frau Pastor
As ein Mann frauger studeiert harr un de Universität
achter de Rügge harr, was he wiss Doktor off
tauminnst Pestoor. Kreeg he ein gaude Stee un harr
sien Inkoomen, söchte he ein jung Wicht, dej mit
hum dör’t Leven stappen wull. Un de Lü in sien
Kuntrei seen tegen sien Frou uk van „Frou Doktor“
off „Frou Pestoor“, uk wenn seej noit studeiert harr.
Dat was so.
Wenn ein Mann früher studierte und die Universität
hinter sich hatte (hinter dem Rücken), war er bestimmt
Doktor oder zumindest Pastor. Bekam er gute Stelle
und hatte sein Einkommen, suchte er ein junges
Mädchen, die mit ihm durch's Leben gehen (hier:
stapfen) wollte. Und die Leute in seinem Gebiet
sagten zu seiner Frau auch „Frau Doktor“ oder
„Frau Pastor“, auch wenn sie nie studiert hatte. Das
war so.
So harr sück uk ein jung Paartje in ein Dörp in
Oostfreisland funnen. He was Pestoor un ein gaude
Heerder. Man sien Skapen as dicke Buren harrn hör
Husen wiet utnander un as Pestoor hör beseuken
wull, muss he dicke Stevels antrecken. Straten gaff
dat neit völ, man völ Sliek un Klei. Un kwamm
Pestoor weer na sien Hunk, truck he futt de sware
Stevels ut. Man he was in de letzde Jahren düchdeg
gröit un harr ein Pans as ein Amtmann un bi dat
Geknauje mit de Stevels begünnde he tau pusten un
stähnen.
So hatte sich auch ein junges Paar in einem Dorf in
Ostfriesland gefunden. Er war Pastor und ein guter
Hirte. Aber seine Schafe als dicke Bauern hatten
ihre Häuser weit auseinander und wenn (der) Pastor
sie besuchen wollte, musste er dicke Stiefel
anziehen. Straßen gab es nicht viel, aber viel
Schlick und Marscherde. Und kam der Pastor wieder
zu seiner Behausung, zog er sofort die schweren
Stiefel aus. Aber er hatte in den letzten Jahren
tüchtig zugenommen und hatte eine Wampe wie ein
Amtmann und bei der Plackerei mit den Stiefeln
begann er zu pusten und zu stöhnen.
He muss Stön hebben, anders lagg he futt up de
Rügge. So gung he alltied in de Slapkamer, hollde
sück mit ein Hand an de Wand fast un fung an tau
knaujen mit de Stevels. Sien Ollske, ein Hellhaake
un trankiel Menske, was brissen. In de Loop van de
Jahren was an de Tepeite ein grote swarte Stee,
waar Pestoor alltied Stöön funnen harr. Sien Frou
skull un futerde, man Domine gung neit van sien
Wennst off.
Er musste (einen) Halt haben, sonst lag er gleich auf
dem Rücken. So ging er immer in das Schlafzimmer,
hielt sich mit einer Hand an der Wand fest und
quälte sich mit den Stiefeln. Seine Ehefrau (Alte), ein
Hausdrache und couragiertes Frauenzimmer, war
wütend. Im Lauf der Jahre war an der Tapete eine
große schwarze Stelle, wo (der) Pastor immer Halt
gefunden hatte. Seine Frau schimpfte und meckerte
(holl. briesen - schnauben, brüllen), aber der (reformierte)
Prediger ging nicht von seiner Gewohnheit ab.
Miteins gung dat in Dörp rund: Hest all hört? Pestoor
is dood! Stuuvdood hett he mörgens up Bedde legen.
Och Heer, nee, wat’n Baul. Frou Pestoor kunn in hör
Huus blieven, dat harr de Gemeinderat hör tauseggt
un as de Trürdagen vörbi wassen, gung seej dör de
Rüümten un de dicke swarte Stee in de Slaapkamer
harr seej futt in de Luur. Dat mutt anders. Hülpe
mutt d’r her. Man dat sall neit so dür wesen. In de
Nahberskup wohnde ein oldere Mann, dej was flieteg
un harr för dat Wark de rechte Handen. Mörgen wull
seej hum fragen, off heej wall bi hör komen wull.
Seej harr d’r wat un dat was Mannlüwark. Mehr mutt
heej neit weiten.
Plötzlich gab es das Dorfgespräch: Hast du schon
gehört? (Der) Pastor ist tot! Mausetot hat er
morgens im Bett gelegen. O Herr, nee, welch
(schreckliche) Sache. Frau Pastor konnte in ihrem Haus
bleiben, das hatte der Gemeinderat ihr zugesagt
und als die Trauertage vorbei waren, ging sie durch
die Räumlichkeiten und die dicke schwarze Stelle im
Schlafzimmer hatte sie gleich im Blick. Das musste
anders. Hilfe muss her. Aber das soll nicht so teuer
sein. In der Nachbarschaft wohnte ein älterer Mann,
der fleißig war und für die Arbeit die richtigen
Hände hatte. Morgen wollte sie ihn fragen, ob er
wohl zu ihr kommen wollte. Sie hätte da etwas und
das wäre Männerarbeit. Mehr musste er nicht
wissen.
Ein paar Dage later stunn disse Mann bi Frou Pestoor
vör de Dör. Seej neugde hum na binnen tau ein
Koppke Tee. Dat is in Oostfreisland alltied so west.
As heej dreej Koppkes up harr un ein groot Stück
Botterkauke, stunn seej up un see:”So. Moij, dat Ji
mi helpen willn. Dusend Dank! Nu willn wi beiden
even in de Slaapkamer gahn un dann will ik hör
wiesen, waar Herr Pestoor alltied hen packt hett!”
Ein paar Tage später stand dieser Mann bei Frau
Pastor vor der Tür. Sie bat ihn herein zu einer Tasse
Tee. Das ist in Ostfriesland immer so gewesen. Als
er drei Tasse getrunken (hier: auf hatte) und ein gro-
ßes Stück Butterkuchen, stand sie auf und sagte:
“So. Schön, dass Sie mir helfen wollen. Tausend
Dank! Nun wollen wir beide eben ins Schlafzimmer
gehen und dann will ich Ihnen zeigen, wo (der) Herr
Pastor immer hingefasst hat!“.
Dej Mann keek hör an mit grote Oogen: “ Och Heer,
Frou Pestoor, dat laaten Seej man. Ik bin ein olde
Mann. Geven Seej mi man leiver ein Zigarre!“
Der Mann guckte sie an mit großen Augen: „O Herr,
Frau Pastor, das lassen Sie ruhig sein. Ich bin ein
alter Mann. Geben Sie mir lieber eine Zigarre!“
Man mutt mitnander proten!
Man muss miteinander reden!