Nabers
Nachbarn
Jan un Harm wassen Nabers. Neit stuuv annander,
Jan harr sien Huus tegenover, up de ander Siet van
de Strate. Harm was mit de Süster van Jan trout
west. Seej was all as junge Frou overleden un dann
harr he weer ein Frou funnen. Kinderkes kwammen
up de Wereld un t'was all moij un gaud.
Jan und Harm waren Nachbarn. Nicht direkt
aneinander, Jan hatte sein Haus gegenüber, auf der
anderen Seite von der Straße. Harm war mit der
Schwester von Jan verheiratet gewesen. Sie war
schon als junge Frau gestorben und dann hatte er
wieder eine Frau gefunden. Kinder (hier: Kinderchen)
kamen auf die Welt und es war alles schön und gut.
Man dej beide Mannlü kunnen neit recht mitnander.
Mehr as „gaude Mörgen“ off „Mahltied“ kwamm d'r
meist neit ut, as seej up de Strate annander vörbi
leipen. T'gaff gein kwade Woorden, man wat dej
eine van de ander hollen dee, dat was in hör Koppen
inmüürt, so fast as ein isdern Pahle.
Aber die beiden Männer konnten nicht so recht
miteinander. Mehr als „guten Morgen“ oder
„Mahlzeit“ wurde nicht gesagt (hier: kam nicht dabei
raus), wenn sie auf der Straße aneinander vorbei
liefen. Es gab keine bösen Worte, aber was der eine
von dem anderen hielt, das war in ihren Köpfen
eingemauert, so fest wie ein eiserner Pfahl.
Jahren gungen daarover hen un dat Olderdoom
kwamm bi dej beide Mannlü. Nu harr Jan
Geburtsdag, man ik maak d'r nix van, see heej. Ik
bin alläne, gein Frou off Kinder. Naber Harm wull
hum tauminnst graleiern un harr uk ein moij
Präsent: ein Hörnstaule off Sörge, as de olde
Börkumers seggt hebben. He gung mit de Staule na
de Nahber, tickerde an de Vördör un gaff hum dej
mit de Woorden: „Umdat dien möije Knaken ein
bitje utrüsten könen“.
Jahre gingen darüber hin und das Alter kam bei den
beiden Männern. Nun hatte Jan Geburtstag, aber ich
mache davon nichts, sagte er. Ich bin alleine, keine
Frau oder Kinder. Nachbar Harm wollte ihn
zumindest gratulieren und hatte auch ein schönes
Geschenk (Präsent): einen Lehnstuhl (für Sorgen, wie die
alten Borkumer es gesagt haben). Er ging mit dem Stuhl
zum Nachbarn, klopfte an die Vordertür und gab es
ihm mit den Worten: „Damit deine müden Knochen
ein wenig ausruhen können.“
Jan see nix. Neit „wees bedankt“ off „wat moij“.
Gein Woord kwamm drut. Dör dicht. Harm gung
weer na Huus.
Jan sagte nichts. Nicht „sei bedankt“ oder „wie
schön“. Kein Wort kam raus. Tür zu. Harm ging
wieder nach Haus.
Tegen avend gung de Dör bi hum open. Daar stunn
Jan. Mit de Staule under de Arm un see: „ Ik bruuk
dat Dingereis neit. Hier hest hum weer, bi di is d'r
beter boorgen, umdat dien löije Knaken ein bitje
utrüsten könen.“
Gegen Abend ging die Tür bei ihm auf. Da stand Jan.
Mit dem Stuhl unter dem Arm und sagte: „ Ich
brauche das Ding nicht. Hier hast du ihn wieder, bei
dir ist er besser aufgehoben, damit deine faulen
Knochen ein wenig ausruhen können.“