De Halfscheed
(de halve Deil) von Hinrich Schoolmann
Der halbe Teil
von Hinrich Schoolmann
(Biographie: siehe Originale 1; Artikel Beitrag Rechtschreibung)
Okko Frerichs harr Sörge un Last. Sien Anje lagg mit
Fieber up Bedde. Erst was hör glujend heit un dann
jagten hör weer kolde Schuuren over’t Leven, dat
seej d’r lagg tau trillen un hör Tannen an klappern
wassen. Dat is de Dardedagskollde. Okko kunn dat
Stännen un Jammern un Jöseln all neit mehr mit
anhörn. Un helpen kunn heej hör uk neit. Versöcht
hett heej alles. ‚n Bollstove hett heej hör in’t Bedde
packt, Kamillentee drin knaujet, hett mit
Snauerbeejensaft un ander Ssoorten versöcht, hett
Kruut un verskeiden Bladen kokt, man nix hett
hulpen. Heej wuss sück neit mehr tau helpen.
Okko Frerichs hatte Sorgen und Belastungen. Seine
Anje lag mit Fieber im Bett. Erst war ihr glühend
heiß und dann jagten ihr wieder kalte Schauer über
(das Leben), dass sie da lag zu zittern und ihre Zähne
klapperten. Das ist die Dreitagekälte. Okko konnte
das Stöhnen und Jammern und Jaulen schon nicht
mehr mit anhören. Und helfen konnte er ihr auch
nicht. Versucht hatte er alles. Eine Wärmflasche
hatte er ihr ins Bett gepackt, Kamillentee rein
gequält, hat (es) mit Brombeersaft und anderen
Sorten versucht, hat Kraut und verschiedene Blätter
gekocht, aber nichts hat geholfen. Er wusste sich
nicht mehr zu helfen.
Van de Doktors hollt heej neit völ, dat bin för hum
Quacksalvers. Man heej meint: „As dat nu neit
anders geiht, sall de Quacksalver wall weiten, wat
di helpen kann.“
Von den Ärzten (Doktoren) hielt er nicht viel, das
waren für ihn Quacksalber. Aber er meinte: „ Wenn
das jetzt nicht anders geht, soll der Quacksalber
wohl wissen, was dir helfen kann.“
„Ja, gah man hen“, stennt Anje, mit de Oogen
verdreiht in de Kopp.
„Ja, gehe ruhig hin“, stöhnte Anje, mit den Augen
verdreht im Kopf.
Dat swarte Packje kummt ut Skapp, de Klumpen
smitt heej achterut un treckt de Sönndagsskau an,
gau noch de Handstock un daar geiht d’r hen.
Der schwarze Anzug kommt aus dem Schrank, die
Holzschuhe wirft er nach hinten und zieh die
Sonntagsschuhe an, schnell noch den Handstock
und dann geht’s los (da geht er hin).
Bi de olle Doktor Steffens ritt heej an de Klocke. Dej
will nett weg un makt hum de Dör open.
Bei dem alten Doktor Steffen zieht (reißen) er an der
Klingel. Der will gerade weg und macht ihm die Tür
auf.
„Bin ik hier recht bi de Quacksalver?“
„Bin ich hier recht bei dem Quacksalber?“
„Koomt man binnen. Wat is d’r dann?“
„Kommt ruhig rein. Was ist denn?“
Un binnen vertellt Okko hum dann, hau elendeg dat
mit sien Anje is un heej alle Huusmittel, dej heej
kunn van frauger, utprobeiert un nix hulpen hett un
dat heej nu de Quacksalver um Rat fragen will.
Und drinnen erzählt Okko ihm dann, wie elendig das
mit seiner Anje ist und er alle Hausmittel, die er von
früher kannte, ausprobierte und nichts geholfen hat
und das er nun den Quacksalber um Rat fragen will.
Doktor Steffens hört sück dat all an un seggt gein
Woord. Stillkes denkt heej bi sück: Wacht, du
Moorhahntje, dej Quacksalver, dej will ik di wall
even offlehren. Un nimmt sien Hand, haalt ut un
hout Okko ein paar an de Snute, dat hum dat Füür
tau de Oogen ut flüggt, eine an de rechte un eine an
de linke Siet. Dann seggt heej:
Doktor Steffens hört sich das alles an und sagt kein
Wort. Im Stillen denkt er bei sich: Warte, du
Moorhähnchen, den Quacksalber, den will ich dir
wohl eben ablernen. Und nimmt seine Hand, holt
aus und haut Okko ein paar an die Schnauze, dass
ihm das Feuer aus den Augen fliegt, eine an der
rechten und eine an der linken Seite. Dann sagt er:
„So, daar hebben ji wat tegen de Kollde!“
„So, da haben wir ja etwas gegen die Kälte!“
Okko springt verfehrt umhoog, is mit ein Tree bi de
Dör un steiht buten. Hum is heit un de Sweit breckt
hum ut. Saterdag, denkt heej, dat is di wat. Un frifft
sück dat Gesicht un geiht up Huus an.
Okko springt erschrocken hoch, ist mit einem
Schritt bei der Tür und steht draußen. Ihm ist heiß
und der Schweiß bricht ihm aus. Donnerwetter
(eigentlich Sonnabend), denkt er, das ist ja was. Und
reibt sich das Gesicht und geht nach Hause (auf das
Haus zu).
„Ik bin d’r weer!“, seggt heej, „ nu koom man gau
over Ende, dat ik di dat Middel van de Quacksalver
geev. Dat is di wat, daar kummst van in’t Sweiten,
daar kummt de Kollde neit tegen an.“ Anje grippt
na’t Lichteltou un treckt sück hoog, man seej is noch
neit heil boven, daar kriggt seej van Okko eine vör’t
Skott, dat seej futt weer rüggels sackt.
„Ich bin wieder da!“, sagt er, „nun komm mal
schnell hoch, damit ich dir das Mittel von dem
Quacksalber gebe. Das ist was, da kommst du ins
Schwitzen, da kommt die Kälte nicht gegen an.“
Anje greift nach dem Tau (zum Hochziehen in dem
Alkoven) und zieht sich hoch, aber sie ist noch nicht
ganz oben, da bekommt sie von Okko eine gewischt
(eine vor dem Zaun), dass sie gleich wieder rückwärts
sackt.
„So“, seggt hör Manntje, „ nu noch mal hoog, ik
mutt noch na de ander Siet“.
„So“, sagt ihr Mann (hier: Männchen) „nun noch mal
hoch, ich muss noch an die andere Seite“.
Man Anje röggt sück neit. Seej hett gein Verlangen
na de tweede Pille. Un na ein Dag off wat is seej uk
weer beineg.
Aber Anje rührt sich nicht. Sie hat kein Verlangen
nach der zweiten Pille. Und nach ungefähr einem
Tag ist sie auch wieder auf den Beinen.
Daar seggt seej an Okko: “De Doktor hett mi so moij
van de Kollde offhulpen, nu gah man hen un breng
hum ein paar Pund Botter un Stück off wat Eier. All
van unse eigen Buurenplaatze. Dat sall d’r wall
lüsten.“
Da sagt sie zu Okko:“ Der Doktor hat mir so schön
von der Kälte abgeholfen (wörtlich), nun gehe mal hin
und bringe ihm ein paar Pfund Butter und einige
Eier. Alles von unserem Bauernplatz. Das wird ihm
schon schmecken“.
Un Okko treckt mit sien Armkörv over’t Land na de
Doktor in de Stadt.
Und Okko zieht mit seinem Armkorb über das Land
zum Doktor in die Stadt.
„Gau’n Dag uk, Herr Quacksalver“, seggt heej,“
Kumpelmenten van mien Anje un ik sall Jau wat
Botter un Eier brengen“. Un packt sien Rewe moij up
de Tavel, maakt sien Körv weer dicht un seggt:
„Guten Tag (auch), Herr Quacksalber,“ sagt er,
„beste Grüße von meiner Anje und ich soll Euch
etwas Butter und Eier bringen“. Und packt seine
Ware schön auf den Tisch, macht den Korb wieder
zu und sagt:
„Dej Baul hett mien Anje düchdeg gaud hulpen, de
Kollde wat futt weg. Man wi hebben neit all brukt,
bloot dat halve un dej ander halve geev ik Jau weer
taurügg“.
„Der Kram hat meiner Anje sehr gut geholfen, die
Kälte war schnell verschwunden. Aber wir haben
nicht alles gebraucht, nur die Hälfte und die andere
Hälfte gebe ich Ihnen wieder zurück“.
Un nimmt sien Hand, dej van’t Wark hart un swaar
is, haalt ut un gifft Doktor Steffens eine an de Hals,
dat heej rüggels tegen sien Baukeskapp anflüggt un
haast beseffelos an de Grund liggt. Dann sett heej
de Pett up, seggt van Allerbest un geiht tau’t Dör ut.
Und nimmt seine Hand, die von der Arbeit hart und
schwer ist, holt aus und gibt Doktor Steffens einen
an den Hals, dass der rückwärts gegen den
Bücherschrank fliegt und fast besinnungslos auf
den Boden liegt. Dann setzt er seine Mütze auf, sagt
alles Gute und geht zur Tür raus.