Alt - Borkum Der Strand um 1901 Der Strand um 1883 T O P T O P
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Der folgende lustige plattdeutsche Beitrag handelt von der Anwendung und der Wirkung unkonventioneller Medizin.
Eine besondere Medizin Eine besondere Medizin
De Halfscheed (de halve Deil) von Hinrich Schoolmann
Der halbe Teil von Hinrich Schoolmann (Biographie: siehe Originale 1; Artikel Beitrag Rechtschreibung)
Okko Frerichs harr Sörge un Last. Sien Anje lagg mit Fieber up Bedde. Erst was hör glujend heit un dann jagten hör weer kolde Schuuren over’t Leven, dat seej d’r lagg tau trillen un hör Tannen an klappern wassen. Dat is de Dardedagskollde. Okko kunn dat Stännen un Jammern un Jöseln all neit mehr mit anhörn. Un helpen kunn heej hör uk neit. Versöcht hett heej alles. ‚n Bollstove hett heej hör in’t Bedde packt, Kamillentee drin knaujet, hett mit Snauerbeejensaft un ander Ssoorten versöcht, hett Kruut un verskeiden Bladen kokt, man nix hett hulpen. Heej wuss sück neit mehr tau helpen.
Okko Frerichs hatte Sorgen und Belastungen. Seine Anje lag mit Fieber im Bett. Erst war ihr glühend heiß und dann jagten ihr wieder kalte Schauer über (das Leben), dass sie da lag zu zittern und ihre Zähne klapperten. Das ist die Dreitagekälte. Okko konnte das Stöhnen und Jammern und Jaulen schon nicht mehr mit anhören. Und helfen konnte er ihr auch nicht. Versucht hatte er alles. Eine Wärmflasche hatte er ihr ins Bett gepackt, Kamillentee rein gequält, hat (es) mit Brombeersaft und anderen Sorten versucht, hat Kraut und verschiedene Blätter gekocht, aber nichts hat geholfen. Er wusste sich nicht mehr zu helfen.
Van de Doktors hollt heej neit völ, dat bin för hum Quacksalvers. Man heej meint: „As dat nu neit anders geiht, sall de Quacksalver wall weiten, wat di helpen kann.“
Von den Ärzten (Doktoren) hielt er nicht viel, das waren für ihn Quacksalber. Aber er meinte: „ Wenn das jetzt nicht anders geht, soll der Quacksalber wohl wissen, was dir helfen kann.“
„Ja, gah man hen“, stennt Anje, mit de Oogen verdreiht in de Kopp.
„Ja, gehe ruhig hin“, stöhnte Anje, mit den Augen verdreht im Kopf.
Dat swarte Packje kummt ut Skapp, de Klumpen smitt heej achterut un treckt de Sönndagsskau an, gau noch de Handstock un daar geiht d’r hen.
Der schwarze Anzug kommt aus dem Schrank, die Holzschuhe wirft er nach hinten und zieh die Sonntagsschuhe an, schnell noch den Handstock und dann geht’s los (da geht er hin).
Bi de olle Doktor Steffens ritt heej an de Klocke. Dej will nett weg un makt hum de Dör open.
Bei dem alten Doktor Steffen zieht (reißen) er an der Klingel. Der will gerade weg und macht ihm die Tür auf.
„Bin ik hier recht bi de Quacksalver?“
„Bin ich hier recht bei dem Quacksalber?“
„Koomt man binnen. Wat is d’r dann?“
„Kommt ruhig rein. Was ist denn?“
Un binnen vertellt Okko hum dann, hau elendeg dat mit sien Anje is un heej alle Huusmittel, dej heej kunn van frauger, utprobeiert un nix hulpen hett un dat heej nu de Quacksalver um Rat fragen will.
Und drinnen erzählt Okko ihm dann, wie elendig das mit seiner Anje ist und er alle Hausmittel, die er von früher kannte, ausprobierte und nichts geholfen hat und das er nun den Quacksalber um Rat fragen will.
Doktor Steffens hört sück dat all an un seggt gein Woord. Stillkes denkt heej bi sück: Wacht, du Moorhahntje, dej Quacksalver, dej will ik di wall even offlehren. Un nimmt sien Hand, haalt ut un hout Okko ein paar an de Snute, dat hum dat Füür tau de Oogen ut flüggt, eine an de rechte un eine an de linke Siet. Dann seggt heej:
Doktor Steffens hört sich das alles an und sagt kein Wort. Im Stillen denkt er bei sich: Warte, du Moorhähnchen, den Quacksalber, den will ich dir wohl eben ablernen. Und nimmt seine Hand, holt aus und haut Okko ein paar an die Schnauze, dass ihm das Feuer aus den Augen fliegt, eine an der rechten und eine an der linken Seite. Dann sagt er:
„So, daar hebben ji wat tegen de Kollde!“
„So, da haben wir ja etwas gegen die Kälte!“
Okko springt verfehrt umhoog, is mit ein Tree bi de Dör un steiht buten. Hum is heit un de Sweit breckt hum ut. Saterdag, denkt heej, dat is di wat. Un frifft sück dat Gesicht un geiht up Huus an.
Okko springt erschrocken hoch, ist mit einem Schritt bei der Tür und steht draußen. Ihm ist heiß und der Schweiß bricht ihm aus. Donnerwetter (eigentlich Sonnabend), denkt er, das ist ja was. Und reibt sich das Gesicht und geht nach Hause (auf das Haus zu).
„Ik bin d’r weer!“, seggt heej, „ nu koom man gau over Ende, dat ik di dat Middel van de Quacksalver geev. Dat is di wat, daar kummst van in’t Sweiten, daar kummt de Kollde neit tegen an.“ Anje grippt na’t Lichteltou un treckt sück hoog, man seej is noch neit heil boven, daar kriggt seej van Okko eine vör’t Skott, dat seej futt weer rüggels sackt.
„Ich bin wieder da!“, sagt er, „nun komm mal schnell hoch, damit ich dir das Mittel von dem Quacksalber gebe. Das ist was, da kommst du ins Schwitzen, da kommt die Kälte nicht gegen an.“ Anje greift nach dem Tau (zum Hochziehen in dem Alkoven) und zieht sich hoch, aber sie ist noch nicht ganz oben, da bekommt sie von Okko eine gewischt (eine vor dem Zaun), dass sie gleich wieder rückwärts sackt.
„So“, seggt hör Manntje, „ nu noch mal hoog, ik mutt noch na de ander Siet“.
„So“, sagt ihr Mann (hier: Männchen) „nun noch mal hoch, ich muss noch an die andere Seite“.
Man Anje röggt sück neit. Seej hett gein Verlangen na de tweede Pille. Un na ein Dag off wat is seej uk weer beineg.
Aber Anje rührt sich nicht. Sie hat kein Verlangen nach der zweiten Pille. Und nach ungefähr einem Tag ist sie auch wieder auf den Beinen.
Daar seggt seej an Okko: “De Doktor hett mi so moij van de Kollde offhulpen, nu gah man hen un breng hum ein paar Pund Botter un Stück off wat Eier. All van unse eigen Buurenplaatze. Dat sall d’r wall lüsten.“
Da sagt sie zu Okko:“ Der Doktor hat mir so schön von der Kälte abgeholfen (wörtlich), nun gehe mal hin und bringe ihm ein paar Pfund Butter und einige Eier. Alles von unserem Bauernplatz. Das wird ihm schon schmecken“.
Un Okko treckt mit sien Armkörv over’t Land na de Doktor in de Stadt.
Und Okko zieht mit seinem Armkorb über das Land zum Doktor in die Stadt.
„Gau’n Dag uk, Herr Quacksalver“, seggt heej,“ Kumpelmenten van mien Anje un ik sall Jau wat Botter un Eier brengen“. Un packt sien Rewe moij up de Tavel, maakt sien Körv weer dicht un seggt:
„Guten Tag (auch), Herr Quacksalber,“ sagt er, „beste Grüße von meiner Anje und ich soll Euch etwas Butter und Eier bringen“. Und packt seine Ware schön auf den Tisch, macht den Korb wieder zu und sagt:
„Dej Baul hett mien Anje düchdeg gaud hulpen, de Kollde wat futt weg. Man wi hebben neit all brukt, bloot dat halve un dej ander halve geev ik Jau weer taurügg“.
„Der Kram hat meiner Anje sehr gut geholfen, die Kälte war schnell verschwunden. Aber wir haben nicht alles gebraucht, nur die Hälfte und die andere Hälfte gebe ich Ihnen wieder zurück“.
Un nimmt sien Hand, dej van’t Wark hart un swaar is, haalt ut un gifft Doktor Steffens eine an de Hals, dat heej rüggels tegen sien Baukeskapp anflüggt un haast beseffelos an de Grund liggt. Dann sett heej de Pett up, seggt van Allerbest un geiht tau’t Dör ut.
Und nimmt seine Hand, die von der Arbeit hart und schwer ist, holt aus und gibt Doktor Steffens einen an den Hals, dass der rückwärts gegen den Bücherschrank fliegt und fast besinnungslos auf den Boden liegt. Dann setzt er seine Mütze auf, sagt alles Gute und geht zur Tür raus.
Jan Schneeberg
Hinweis: Da auch die plattdeutsche Sprache - wie grundsätzlich jede Sprache - oft erst sinnentnehmend erschließbar wird, wurden zum besseren Verständ- nis der Sprachbildung an speziellen Stellen eine fast wörtliche Übersetzung von Teilsätzen und Begriffen innerhalb runder Klammern ( .. ) aufgezeigt.
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