De grote Klaasohm un de lüttje
Fürdraake
Ein Vertellsel up Platt tau de hoogste Fierdag up Börkum
Der große Klaasohm und der
kleine Feuerdrache
Eine Erzählung auf Platt zum höchsten Feiertag auf Borkum
Dat weit ja elk un ein: de Börkumer Junges komen
an de fievde Dezember um de Teetied na de Grote
Kaap un graven de Klaasohms ut. Man dat bin
Lögens! In tweej Stünde sall de Klaasohm na ein
lange deipe Slaap weer flügg wesen? Un in disse
kaarte Tied sück hemmeln? Na haast ein Jahr, waar
seej in de Butze liggen tau rüderreiern, stinken seej
doch all mitnander as ein Ülk. Un dann futt handeg
wesen, um over Banken un Tavels tau jumpen,
Wichter mit Hoorns up de Pupert houen, Grootjes
eien un lüttje Kinder up de Arm nehmen? Well will
man dat wies maken?
Das weiß ja jeder: die Borkumer Jungs kommen am
fünften Dezember zur Teezeit zum großen Kaap und
graben den Klaasohm aus. Aber das sind Lügen! In
zwei Stunden soll der Klaasohm nach einem langen
tiefen Schlaf wieder aktiv (lebhaft) sein? Und in
dieser kurzen Zeit sich säubern (machen)? Nach fast
einem Jahr, wo sie unruhig im Wandbett liegen,
stinken sie doch alle miteinander wie ein Iltis. Und
dann sofort beweglich sein, um über Bänke und
Tische zu springen, Mädchen mit dem Horn auf den
Popo hauen, Omas streicheln und kleine Kinder auf
den Arm nehmen? Wem will man das weismachen?
Ji mutten dat neit wieder vertellen - dat sall ja nüms
weiten - man de Klaasohms mit dat Wiefke bin all
Dagen vörtied wacker un geven sück völ Möite,
umdat de stieve Knaken weer smüdeg bin.
Ihr müsst das nicht weiter erzählen - das soll ja
keiner wissen - aber der Klaasohm mit dem
Weibchen (Wiefke - verkleideter Mann) sind schon Tage
vorher wach und geben sich viel Mühe, damit die
steifen Knochen wieder geschmeidig sind.
So was dat uk verleden Jahr. Eine van de grote
Klaasohms - dej ander was tau löij - leip tegen de
Mörgen (t’was noch düster, hum sull ja geineine
seihn) in Hundjedrafft an de Strandskante, as heej
achter ein hooge Düne wat hörde, dat klung, as off
eine an’t krieten un blarren was. Well was dat? As
heej versichdeg um de Hauk luurde, satt daar ein
Figök, so eine harr heej noch noit seihn. Neit groot,
man uk neit lüttjet, tweej stewege Achterpooten,
tweej lüttje Vörpooten, lange Schnabel un ein dicke
leeren Huut. Dat rare Skeppsel keek hum an mit
grote, heil bloue Ogen un dicke Tranen leipen hum
over de Wangen.
So war das auch letztes Jahr. Einer der großen
Klaasohms - der andere war zu faul - lief gegen
Morgen (es war noch dunkel, ihn sollte ja niemand sehen) im
Laufschritt zum Strand, als er hinter einer hohen
Düne etwas hörte, das klang, als ob jemand heulte
und weinte. Wer war das? Als er vorsichtig um die
Ecke lauerte, saß dort eine seltsame Gestalt, so eine
hatte er noch nie gesehen. Nicht groß, aber auch
nicht klein, zwei stämmige Hinterpfoten, zwei
kleine vordere Pfoten, langer Schnabel und eine
dicke lederne Haut. Dieses merkwürdige Geschöpf
sah ihn an mit großen, ganz blauen Augen und dicke
Tränen liefen ihm über die Wangen.
Wat is d’r, see de Klaasohm, hest di beseert? Dat
Deier see nix, man mit de Förpooten was heej an’t
wiesen, dat de Klaasohm achter hum stahn sull. Dat
gediegen Deier - off wat dat wesen sull - dee de
Beck open un ein allemachdege Strahl van Für
kwamm drutskeiten. Heer, du mien leive Tied!
Klaasohm verfeerde sück up de Dod un full
achterover. Un skull. Du bist ja wall mall! Wat sall
dat? Mit Für pusten! Wullt du dat heile Eiland in de
Brand setten?
Was ist los, sagte der Klaasohm, hast du dich
verletzt? Das Tier sagte nichts, aber mit den
vorderen Pfoten zeigte er an, dass der Klaasohm
hinter ihm stehen sollte. Das merkwürdige Tier -
oder was das sein sollte - machte das Maul auf und
ein gewaltiger Strahl Feuer kam herausgeschossen.
Herr, du meine liebe Zeit! Klaasohm erschreckte
sich auf den Tod und fiel hintenüber. Und schimpfte.
Du bist ja wohl verrückt! Was soll das? Mit Feuer
pusten! Willst du das ganze Eiland in Brand setzen?
Ik kann d’r nix an daun, snückerde dat Skeppsel, dej
miteins proten kunn. Ik bin ein Fürdraake un unse
Ssoort mutt erst Für pusten, as wi wat seggen willn.
ch kann es nicht ändern (nichts dran tun), schluchzte
das Geschöpf, der plötzlich sprechen konnte. Ich bin
ein Feuerdrache und unsere Sippe muss erst Feuer
pusten, wenn wir etwas sagen wollen.
Dat is ja gefahrlek, meinde de Klaasohm. Man sull di
ein groote Zeetel um de Hals hangen mit de
Woorden: Gefahr van Für! Tien Stapp achterut! Man
segg, waar kummst du her?
Das ist ja gefährlich, meine der Klaasohm. Man
sollte dir einen großen Zettel um den Hals hängen
mit den Worten: Gefahr von Feuer! Zehn Schritte
zurück! Aber sag, wo kommst du her?
Van heil wiet weg, see de Fürdrake. Van ein lüttjet
Eiland. Mien Lü bin neit mehr völ un de Verwandskup
waart uk all minder. Wi hebben ein Stammboom van
Benjamin allemachdeg. Dusenden van Jahren könen
wi taurügg kieken. Man ik glöv, ik bin d’r bollt over.
Gein Menske mag mi lieden. Un ik hebb so’n Jank na
Huus.
Von ganz weit weg, sagte der Feuerdrache. Von
einer kleinen Insel. Von meinen Leuten gibt es nicht
mehr viele und die Verwandtschaft wird auch immer
weniger. Wir haben einen riesigen Stammbaum
(Redewendung: Benjamin gewaltig). Tausende Jahre
können wir zurück blicken. Aber ich glaube, ich bin
bald überflüssig. Kein Mensch mag mich leiden. Und
ich habe so eine Sehnsucht nach Hause.
Och Gommes, see de Klaasohm. Nu beduur di man
sülvst. Vertell noch ein bitje van de Kuntrei, waar
dien Oldenhuus stunn.
Ach Gott, sagte der Klaasohm. Nun bedauer dich
ruhig selbst. Erzähl noch ein wenig von der Gegend,
wo dein Elternhaus stand.
Na ja, see de Fürdraake, tiss ein groot Eiland mit völ
Booms un büllten Deiern, dej all bang vör uns west
bin. Uk de Mensken wassen benaut, as seej in unse
Benaate kwammen. Man off un tau was de eine off
ander ein bitje keerlachteg un kwamm nader. Vör
Jahren was d’r ein Backer, dej wull mi in sien
Bedriev hebben. Ik sull man over de Botterkauke
ein bitje Für maken, dann mutt de Ovend neit so
lang in de Gang wesen un heej kunn Centen sparen.
Ik hebb dat uk ja versöcht, man ik was so hibbelg,
dat achteran de heile Botterkauke swart un
verbrannt was. De Backer hett mi sünder ein Woord
vör de Dör sett.
Na ja, sagte der Feuerdrache, es ist eine große Insel
mit vielen Bäumen und sehr vielen Tieren, die alle
ängstlich vor uns gewesen sind. Auch die Menschen
hatten Angst, wenn sie in unsere Nähe kamen. Aber
ab und zu war der eine oder der andere ein wenig
mutig (männlich) und kam näher. Vor Jahren war es
ein Bäcker, der wollte mich in seinem Betrieb
haben. Ich sollte über den Butterkuchen ein wenig
Feuer machen, dann muss der Ofen nicht so lange
an sein (im Gang sein) und er konnte Cents (frühere
Währung) sparen. Ich habe das ja auch versucht, aber
ich war so hibbelig, dass nachher der ganze
Butterkuchen schwarz und verbrannt war. Der
Bäcker hat mich ohne ein Wort vor die Tür gesetzt.
Och Heer, see de Klaasohm, du lüttje Blaut. Un dann
hest du noit weer wat lehrt?
O Herr (bedauern), sagte der Klaasohm, du kleine
arme Seele (Redewendung). Und dann hast du nie
wieder etwas gelernt?
De Draake kunn miteins proten as ein Bauk: Daarna
sull ik ein heil fien Lokal mit bedeinen. Ik sull an de
Tavels flambieren. Daar waart ein bitje Jenever over
dat Eten goten un dann in de Brand sett. Un dat sull
ik daun. Tisss wat heil Besünders, see de Baas. As de
Pudding so as Naspiese kummt, ein Drüppke Cognac
bitau un dann koom ik as Draake un puust dat Für
d’r over. Man uk dat is misslopen. Bi dat erste Mal
harr ik de heile Taveldeken in de Brand un ein Dag
later was de Perücke van so’n oldere Froumenske
dran. Recht ein moij Lunderke bi hör boven up de
Kopp. De Baas hett hör ein Emmer Water drover
kwackt, ik kreeg ein Skupp in de Maarse un stunn
buten.
Der Drache konnte plötzlich reden wie ein Buch:
Dann sollte ich in einem ganz feinen Lokal
bedienen. Ich sollte am Tisch flambieren. Dort wird
ein wenig Schnaps (holländisch Genever) über das Essen
gegossen und dann in Brand gesetzt. Und das sollte
ich tun. Das ist etwas ganz Besonderes, sagte der
Chef. Wenn der Pudding als Nachspeise kommt, ein
Tröpfchen Cognac dazu und dann komme ich als
Drache und puste das Feuer drüber. Aber das ist
auch missglückt. Beim ersten Mal hatte ich die
ganze Tischdecke in Brand und ein Tag später war
die Perücke von einer älteren Frau dran. Richtig ein
schönes loderndes Feuer bei ihr oben auf dem Kopf.
Der Chef hat ihr einen Eimer Wasser drüber
geschüttet, ich bekam einen Tritt in den Hintern und
stand draußen.
Un hau bist du hier up disse lüttje Sandbüllte
komen? wull de Klaasohm weiten.
Und wie bist du hier auf diesen kleinen Sandhaufen
gekommen? wollte der Klaasohm wissen?
Wi harrn ein allemachdege Störm mit büllten Water,
dej over uns Eilandje bruust is. Ik hebb mi an ein
Planke fastholden un bin hier an de Strand
andreven. As ik weiten wull, waar ik bin, hebb ik ein
Kaabe de Feeren in de Brand stoppt un ein Rubbe de
Steert verbrannt. Nu bin all mitnander kwaad up mi.
Wir hatten einen gewaltigen Sturm mit sehr viel
Wasser, das über unsere Insel hinweg brauste. Ich
habe mich an einer Planke (Brett) festgehalten und
bin hier an den Strand angetrieben. Als ich wissen
wollte, wo ich bin, habe ich einer Möve die Federn
in Brand gesteckt und einem Seehund den Schwanz
verbrannt. Nun sind alle zusammen böse auf mich.
Man segg evkes, well bist du un wat geböhrt hier?
De Mensken bin ja as updreiht!
Aber sag eben, wer bist du und was passiert hier?
Die Menschen sind ja wie aufgedreht.
Tja, up Börkum fieren de Eilanders Klaasohm. Dat
bin ik mit fiev Paschepanten un ein Wiefke. Tiss is
de hoogste Fierdag up disse Sandbüllte. Kiek di dat
an.
Tja, auf Borkum feiern die Inslulaner Klaasohm. Das
bin ich mit fünf Begleitern (enge Freunde) und einem
Weibchen. Es ist der höchste Feiertag auf diesem
Sandhaufen. Guck dir das an.
Dat will ik wall daun, man as Jan-van-feern!, see de
Draake ein bitje benaut.
Das will ich wohl tun, aber von Weitem
(Redewendung), sagte der Drache ein wenig ängstlich.
Ein Dag later, tegen de Mörgen na de groote Fierdag
kwammen de Klaasohms skoonoff weer bi dat Kaap
binander. Seej hebben na all de Loopereej uk noch
de lüttje Kinderkes bedocht, dej neit vergeten harrn,
hör Teller mit ein Blattje Greunkohl un ein Skiewe
Swarrbrod up de Fensterbank tau stellen. De grote
Klaasohm keek um sück tau, man van de lüttje
Fürdraake was nix tau seihn. In de Benaate funn
heej Stück off wat Bladen, dej haast verbrannt
wassen. Klaasohm namm hör versichdeg umhoog un
up de Achtersiet kunn heej Woorden lesen:
Einen Tag später, gegen Morgen nach dem großen
Feiertag kamen die Klaasohms erschöpft wieder bei
dem Kaap zusammen. Sie hatten nach der ganzen
Lauferei auch noch die kleinen Kinder bedacht, die
nicht vergessen hatten, ihren Teller mit einem
Blättchen Grünkohl und einer Scheibe Schwarzbrot
auf die Fensterbank zu stellen. Der große Klaasohm
sah sich um, aber von dem kleinen Feuerdrachen
war nichts zu sehen. In der Nähe fand er einige
Blätter , die fast verbrannt waren. Klaasohm nahm
sie vorsichtig hoch und auf der Rückseite konnte er
Worte lesen:
Ik hebb ein Skip funnen, mit dej ik taurügg fahren
will na mien Hunk. Dank di för dien Leivde un dat ik
mit di prooten kunn. Ik hebb mi jau Fesche bekeken
un was d’r beduust van. Ein heerleke Fier för Groot
un Lüttjet. Kumpelmenten an alle Börkumers van de
lüttje Fürdraake.
Ich habe ein Schiff gefunden, mit dem ich
zurückfahren will in mein Gebiet (Schutz, Behausung).
Danke für deine Liebe und das ich mit dir sprechen
konnte. Ich habe mir euer Fest beguckt und war
ganz weg (berauschend). Eine wunderschöne Feier für
Groß und Klein. Viele Grüße (Redewendung) an alle
Borkumer von dem kleinen Feuerdrachen.