Alt - Borkum Der Strand um 1901 Der Strand um 1883 T O P T O P
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Der folgende plattdeutsche Beitrag erzählt von der Begegnung mit dem kleinen Feuerdrachen!
Klaaohm und der Feuerdrache Klaaohm und der Feuerdrache
De grote Klaasohm un de lüttje Fürdraake Ein Vertellsel up Platt tau de hoogste Fierdag up Börkum
Der große Klaasohm und der kleine Feuerdrache Eine Erzählung auf Platt zum höchsten Feiertag auf Borkum
Dat weit ja elk un ein: de Börkumer Junges komen an de fievde Dezember um de Teetied na de Grote Kaap un graven de Klaasohms ut. Man dat bin Lögens! In tweej Stünde sall de Klaasohm na ein lange deipe Slaap weer flügg wesen? Un in disse kaarte Tied sück hemmeln? Na haast ein Jahr, waar seej in de Butze liggen tau rüderreiern, stinken seej doch all mitnander as ein Ülk. Un dann futt handeg wesen, um over Banken un Tavels tau jumpen, Wichter mit Hoorns up de Pupert houen, Grootjes eien un lüttje Kinder up de Arm nehmen? Well will man dat wies maken?
Das weiß ja jeder: die Borkumer Jungs kommen am fünften Dezember zur Teezeit zum großen Kaap und graben den Klaasohm aus. Aber das sind Lügen! In zwei Stunden soll der Klaasohm nach einem langen tiefen Schlaf wieder aktiv (lebhaft) sein? Und in dieser kurzen Zeit sich säubern (machen)? Nach fast einem Jahr, wo sie unruhig im Wandbett liegen, stinken sie doch alle miteinander wie ein Iltis. Und dann sofort beweglich sein, um über Bänke und Tische zu springen, Mädchen mit dem Horn auf den Popo hauen, Omas streicheln und kleine Kinder auf den Arm nehmen? Wem will man das weismachen?
Ji mutten dat neit wieder vertellen - dat sall ja nüms weiten - man de Klaasohms mit dat Wiefke bin all Dagen vörtied wacker un geven sück völ Möite, umdat de stieve Knaken weer smüdeg bin.
Ihr müsst das nicht weiter erzählen - das soll ja keiner wissen - aber der Klaasohm mit dem Weibchen (Wiefke - verkleideter Mann) sind schon Tage vorher wach und geben sich viel Mühe, damit die steifen Knochen wieder geschmeidig sind.
So was dat uk verleden Jahr. Eine van de grote Klaasohms - dej ander was tau löij - leip tegen de Mörgen (t’was noch düster, hum sull ja geineine seihn) in Hundjedrafft an de Strandskante, as heej achter ein hooge Düne wat hörde, dat klung, as off eine an’t krieten un blarren was. Well was dat? As heej versichdeg um de Hauk luurde, satt daar ein Figök, so eine harr heej noch noit seihn. Neit groot, man uk neit lüttjet, tweej stewege Achterpooten, tweej lüttje Vörpooten, lange Schnabel un ein dicke leeren Huut. Dat rare Skeppsel keek hum an mit grote, heil bloue Ogen un dicke Tranen leipen hum over de Wangen.
So war das auch letztes Jahr. Einer der großen Klaasohms - der andere war zu faul - lief gegen Morgen (es war noch dunkel, ihn sollte ja niemand sehen) im Laufschritt zum Strand, als er hinter einer hohen Düne etwas hörte, das klang, als ob jemand heulte und weinte. Wer war das? Als er vorsichtig um die Ecke lauerte, saß dort eine seltsame Gestalt, so eine hatte er noch nie gesehen. Nicht groß, aber auch nicht klein, zwei stämmige Hinterpfoten, zwei kleine vordere Pfoten, langer Schnabel und eine dicke lederne Haut. Dieses merkwürdige Geschöpf sah ihn an mit großen, ganz blauen Augen und dicke Tränen liefen ihm über die Wangen.
Wat is d’r, see de Klaasohm, hest di beseert? Dat Deier see nix, man mit de Förpooten was heej an’t wiesen, dat de Klaasohm achter hum stahn sull. Dat gediegen Deier - off wat dat wesen sull - dee de Beck open un ein allemachdege Strahl van Für kwamm drutskeiten. Heer, du mien leive Tied! Klaasohm verfeerde sück up de Dod un full achterover. Un skull. Du bist ja wall mall! Wat sall dat? Mit Für pusten! Wullt du dat heile Eiland in de Brand setten?
Was ist los, sagte der Klaasohm, hast du dich verletzt? Das Tier sagte nichts, aber mit den vorderen Pfoten zeigte er an, dass der Klaasohm hinter ihm stehen sollte. Das merkwürdige Tier - oder was das sein sollte - machte das Maul auf und ein gewaltiger Strahl Feuer kam herausgeschossen. Herr, du meine liebe Zeit! Klaasohm erschreckte sich auf den Tod und fiel hintenüber. Und schimpfte. Du bist ja wohl verrückt! Was soll das? Mit Feuer pusten! Willst du das ganze Eiland in Brand setzen?
Ik kann d’r nix an daun, snückerde dat Skeppsel, dej miteins proten kunn. Ik bin ein Fürdraake un unse Ssoort mutt erst Für pusten, as wi wat seggen willn.
ch kann es nicht ändern (nichts dran tun), schluchzte das Geschöpf, der plötzlich sprechen konnte. Ich bin ein Feuerdrache und unsere Sippe muss erst Feuer pusten, wenn wir etwas sagen wollen.
Dat is ja gefahrlek, meinde de Klaasohm. Man sull di ein groote Zeetel um de Hals hangen mit de Woorden: Gefahr van Für! Tien Stapp achterut! Man segg, waar kummst du her?
Das ist ja gefährlich, meine der Klaasohm. Man sollte dir einen großen Zettel um den Hals hängen mit den Worten: Gefahr von Feuer! Zehn Schritte zurück! Aber sag, wo kommst du her?
Van heil wiet weg, see de Fürdrake. Van ein lüttjet Eiland. Mien Lü bin neit mehr völ un de Verwandskup waart uk all minder. Wi hebben ein Stammboom van Benjamin allemachdeg. Dusenden van Jahren könen wi taurügg kieken. Man ik glöv, ik bin d’r bollt over. Gein Menske mag mi lieden. Un ik hebb so’n Jank na Huus.
Von ganz weit weg, sagte der Feuerdrache. Von einer kleinen Insel. Von meinen Leuten gibt es nicht mehr viele und die Verwandtschaft wird auch immer weniger. Wir haben einen riesigen Stammbaum (Redewendung: Benjamin gewaltig). Tausende Jahre können wir zurück blicken. Aber ich glaube, ich bin bald überflüssig. Kein Mensch mag mich leiden. Und ich habe so eine Sehnsucht nach Hause.
Och Gommes, see de Klaasohm. Nu beduur di man sülvst. Vertell noch ein bitje van de Kuntrei, waar dien Oldenhuus stunn.
Ach Gott, sagte der Klaasohm. Nun bedauer dich ruhig selbst. Erzähl noch ein wenig von der Gegend, wo dein Elternhaus stand.
Na ja, see de Fürdraake, tiss ein groot Eiland mit völ Booms un büllten Deiern, dej all bang vör uns west bin. Uk de Mensken wassen benaut, as seej in unse Benaate kwammen. Man off un tau was de eine off ander ein bitje keerlachteg un kwamm nader. Vör Jahren was d’r ein Backer, dej wull mi in sien Bedriev hebben. Ik sull man over de Botterkauke ein bitje Für maken, dann mutt de Ovend neit so lang in de Gang wesen un heej kunn Centen sparen. Ik hebb dat uk ja versöcht, man ik was so hibbelg, dat achteran de heile Botterkauke swart un verbrannt was. De Backer hett mi sünder ein Woord vör de Dör sett.
Na ja, sagte der Feuerdrache, es ist eine große Insel mit vielen Bäumen und sehr vielen Tieren, die alle ängstlich vor uns gewesen sind. Auch die Menschen hatten Angst, wenn sie in unsere Nähe kamen. Aber ab und zu war der eine oder der andere ein wenig mutig (männlich) und kam näher. Vor Jahren war es ein Bäcker, der wollte mich in seinem Betrieb haben. Ich sollte über den Butterkuchen ein wenig Feuer machen, dann muss der Ofen nicht so lange an sein (im Gang sein) und er konnte Cents (frühere Währung) sparen. Ich habe das ja auch versucht, aber ich war so hibbelig, dass nachher der ganze Butterkuchen schwarz und verbrannt war. Der Bäcker hat mich ohne ein Wort vor die Tür gesetzt.
Och Heer, see de Klaasohm, du lüttje Blaut. Un dann hest du noit weer wat lehrt?
O Herr (bedauern), sagte der Klaasohm, du kleine arme Seele (Redewendung). Und dann hast du nie wieder etwas gelernt?
De Draake kunn miteins proten as ein Bauk: Daarna sull ik ein heil fien Lokal mit bedeinen. Ik sull an de Tavels flambieren. Daar waart ein bitje Jenever over dat Eten goten un dann in de Brand sett. Un dat sull ik daun. Tisss wat heil Besünders, see de Baas. As de Pudding so as Naspiese kummt, ein Drüppke Cognac bitau un dann koom ik as Draake un puust dat Für d’r over. Man uk dat is misslopen. Bi dat erste Mal harr ik de heile Taveldeken in de Brand un ein Dag later was de Perücke van so’n oldere Froumenske dran. Recht ein moij Lunderke bi hör boven up de Kopp. De Baas hett hör ein Emmer Water drover kwackt, ik kreeg ein Skupp in de Maarse un stunn buten.
Der Drache konnte plötzlich reden wie ein Buch: Dann sollte ich in einem ganz feinen Lokal bedienen. Ich sollte am Tisch flambieren. Dort wird ein wenig Schnaps (holländisch Genever) über das Essen gegossen und dann in Brand gesetzt. Und das sollte ich tun. Das ist etwas ganz Besonderes, sagte der Chef. Wenn der Pudding als Nachspeise kommt, ein Tröpfchen Cognac dazu und dann komme ich als Drache und puste das Feuer drüber. Aber das ist auch missglückt. Beim ersten Mal hatte ich die ganze Tischdecke in Brand und ein Tag später war die Perücke von einer älteren Frau dran. Richtig ein schönes loderndes Feuer bei ihr oben auf dem Kopf. Der Chef hat ihr einen Eimer Wasser drüber geschüttet, ich bekam einen Tritt in den Hintern und stand draußen.
Un hau bist du hier up disse lüttje Sandbüllte komen? wull de Klaasohm weiten.
Und wie bist du hier auf diesen kleinen Sandhaufen gekommen? wollte der Klaasohm wissen?
Wi harrn ein allemachdege Störm mit büllten Water, dej over uns Eilandje bruust is. Ik hebb mi an ein Planke fastholden un bin hier an de Strand andreven. As ik weiten wull, waar ik bin, hebb ik ein Kaabe de Feeren in de Brand stoppt un ein Rubbe de Steert verbrannt. Nu bin all mitnander kwaad up mi.
Wir hatten einen gewaltigen Sturm mit sehr viel Wasser, das über unsere Insel hinweg brauste. Ich habe mich an einer Planke (Brett) festgehalten und bin hier an den Strand angetrieben. Als ich wissen wollte, wo ich bin, habe ich einer Möve die Federn in Brand gesteckt und einem Seehund den Schwanz verbrannt. Nun sind alle zusammen böse auf mich.
Man segg evkes, well bist du un wat geböhrt hier? De Mensken bin ja as updreiht!
Aber sag eben, wer bist du und was passiert hier? Die Menschen sind ja wie aufgedreht.
Tja, up Börkum fieren de Eilanders Klaasohm. Dat bin ik mit fiev Paschepanten un ein Wiefke. Tiss is de hoogste Fierdag up disse Sandbüllte. Kiek di dat an.
Tja, auf Borkum feiern die Inslulaner Klaasohm. Das bin ich mit fünf Begleitern (enge Freunde) und einem Weibchen. Es ist der höchste Feiertag auf diesem Sandhaufen. Guck dir das an.
Dat will ik wall daun, man as Jan-van-feern!, see de Draake ein bitje benaut.
Das will ich wohl tun, aber von Weitem (Redewendung), sagte der Drache ein wenig ängstlich.
Ein Dag later, tegen de Mörgen na de groote Fierdag kwammen de Klaasohms skoonoff weer bi dat Kaap binander. Seej hebben na all de Loopereej uk noch de lüttje Kinderkes bedocht, dej neit vergeten harrn, hör Teller mit ein Blattje Greunkohl un ein Skiewe Swarrbrod up de Fensterbank tau stellen. De grote Klaasohm keek um sück tau, man van de lüttje Fürdraake was nix tau seihn. In de Benaate funn heej Stück off wat Bladen, dej haast verbrannt wassen. Klaasohm namm hör versichdeg umhoog un up de Achtersiet kunn heej Woorden lesen:
Einen Tag später, gegen Morgen nach dem großen Feiertag kamen die Klaasohms erschöpft wieder bei dem Kaap zusammen. Sie hatten nach der ganzen Lauferei auch noch die kleinen Kinder bedacht, die nicht vergessen hatten, ihren Teller mit einem Blättchen Grünkohl und einer Scheibe Schwarzbrot auf die Fensterbank zu stellen. Der große Klaasohm sah sich um, aber von dem kleinen Feuerdrachen war nichts zu sehen. In der Nähe fand er einige Blätter , die fast verbrannt waren. Klaasohm nahm sie vorsichtig hoch und auf der Rückseite konnte er Worte lesen:
Ik hebb ein Skip funnen, mit dej ik taurügg fahren will na mien Hunk. Dank di för dien Leivde un dat ik mit di prooten kunn. Ik hebb mi jau Fesche bekeken un was d’r beduust van. Ein heerleke Fier för Groot un Lüttjet. Kumpelmenten an alle Börkumers van de lüttje Fürdraake.
Ich habe ein Schiff gefunden, mit dem ich zurückfahren will in mein Gebiet (Schutz, Behausung). Danke für deine Liebe und das ich mit dir sprechen konnte. Ich habe mir euer Fest beguckt und war ganz weg (berauschend). Eine wunderschöne Feier für Groß und Klein. Viele Grüße (Redewendung) an alle Borkumer von dem kleinen Feuerdrachen.
Jan Schneeberg
Hinweis: Da auch die plattdeutsche Sprache - wie grundsätzlich jede Sprache - oft erst sinnentnehmend erschließbar wird, wurden zum besseren Verständ- nis der Sprachbildung an speziellen Stellen eine fast wörtliche Übersetzung von Teilsätzen und Begriffen innerhalb runder Klammern ( .. ) aufgezeigt.
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