Klaasohm
Klaasohm
Dat de Klaasohms dat heile Jahr over under de Grote
Kaap liggen, weit up Börkum elk un ein. Wenn de
hoge Dag, de fiefde Dezember nahder kummt, lopen
de Kinder in grote Boge um dat Kaap, tauminnst was
dat so, as wi noch jung an Jahren wassen. Vandage
bin de Lüttjen völst tau trankiel, um noch benaud
vör de Klaaasohm tau wesen. Off seej daun blot so.
Dass die Klaasohms das ganze Jahr über unter dem
Großen Kap liegen, weiß auf Borkum jeder. Wenn
der hohe Tag, der fünfte Dezember näher kommt,
laufen die Kinder im großen Bogen um das Kap,
zumindest war das so, als wir noch jung an Jahren
waren. Heute sind die Kleinen viel zu selbst-
bewusst, um noch ängstlich vor dem Klaasohm zu
sein. Oder sie tun nur so.
Wi kwammen d’r noit recht achter, wannehr dat
gebörde, dat de Junges hör utgraven hebben. Man
hett uk noit Mannlü mit ein Skuppe off Spaa seihn.
As mien Onkel Georg van’t Wark um de Teetied na
Huus kwamm, see d’r: Nu is’t sowiet. Wi hebben hör
haalt un nu mutten seej sück bi Bakker jr. noch ein
bitje hemmeln un dann begünnen seej tau lopen. Un
dann stunnen wi mit ein Klöttje van Junges bi
Apteiker Bakker an de Hauk van’t Raathuus tau
kukeluren. Achter Central-Hotel wassen büllten
düster Hauken, waar man sück gaud verstoppen
kunn. Wi wassen skietensbenaut, wenn de Hoorns
anfungen tau tuten un de Düwelsgeigen gielten un
de Büssen rappelten.
Wir kamen nie richtig dahinter, wann es passierte,
dass die Jungs sie ausgegraben haben. Man hat
auch nie Männer mit einer Schaufel oder Spaten
gesehen. Als mein Onkel Georg von der Arbeit
während der Teezeit nach Hause kam, sagte er:
jetzt ist es soweit. Wir haben sie geholt und jetzt
müssen sie sich bei Bakker jr. (Anm. Hotel und
Vereinslokal der Borkumer Jungs [siehe Borkum -> Das Dorf ->
Dorfstraßen]) noch ein wenig säubern und dann
fangen sie an zu laufen. Und dann standen wir mit
einer Gruppe Jungs bei Apotheker Bakker an der
Ecke vom Rathaus zu lauern. Hinterm Central-Hotel
waren viele dunkle Ecken, wo man sich gut
verstecken konnte. Wir waren überaus ängstlich ,
wenn die Hörner anfingen zu tuten und die
Teufelsgeigen kreischten und die (Sammel)Dosen
rappelten.
Bi Koopmann Zimmermann in de Winkel kreeg
Klaaasohm mi dat erste Mal tau packen. Van lüttjet
off an kreeg man bibrocht, wat man seggen mutt, as
man vör de Klaasohm steiht:
Bei Kaufmann Zimmermann im Laden (Winkel~Laden,
Geschäft; winkel~rechtwinklig) bekam (der) Klaaasohm
mich das erste Mal zu packen. Von klein auf an
bekam man beigebracht, was man sagen muss,
wenn man vor dem Klaaasohm steht:
Sünderklaas, du gaude Blaut,
geev mi ‘n Stückje Zuckergaud,
neit tau völ un neit tau minn,
smiet man tau de Sköstien in!
Mit ein Endje Band daran,
dat ik’t gaud berecken kann.
Nikolaus, du gutes Blut,
gib mir ein Stückchen Zucker(gut),
nicht zu viel und nicht zu wenig,
wirf es ruhig in den Schornstein!
Mit einem Stückchen Band daran,
damit ich es erreichen kann.
Völ wieder as de erste Woorden bin ik neit komen,
dann harr ik so ein bruun Klevegaudje in de Beck un
kunn man süneg Lücht haalen. Moppe satt! Well dat
Sprökje kennt , tau dej is d’r uk leiv. Na ja,
meisttied. Bi Froulü un Wichter brengt dat uk nix.
Man Klaasohm is gein Lelkert off Kwaaddauner un
hett ein groot Hart, heil besünders för Kinder. Un dat
mutten uk de Vörlopers un Mitlopers weiten.
Viel weiter als die ersten Worte bin ich nicht
gekommen, dann hatte ich so ein braunes Klebe-
zeug im Mund und konnte nur mühsam Luft holen.
Moppe satt! Wer den Spruch kennt, zu dem ist er
auch lieb. Na ja, meistens. Bei Frauen und Mädchen
bringt das auch nichts. Aber Klaaasohm ist kein
Bösewicht oder Bösetuer (Lelkert~unartiger, boshafter
Mensch; kwaad~böse, daun~tun) und hat ein großes Herz,
ganz besonders zu Kinder. Und das müssen auch die
Vorläufer und Mitläufer (Anm. Hilfskräfte beim Klaaasohm)
wissen.
Wat so heil un dall verloren gahn is in unse
neejmaudse Tied is dat mit de Teller upstellen.
S’avends an de fiefde Dezember kwamm de Teller up
de Fensterbank in de Köken tau stahn un daar muss
ein Greunkohlblatt up liggen un ein Skiewe
Swartbrood. Dat is för Klaasohm sien Peerd, seen de
olde Lü. Nu hebben wi noit de Klaasohms mit ein
Peerd seihn, man gediegen, ander Mörgen was
Greunkohlblatt un Swartbrood weg un kiek, daar
lagg d’r ein Stutekeerl mit Piepe off
Sünderklaasgaud un well heil besünders leiv west
was, för dej was d’r uk ein groot Skip off Klaasohm
up Peerd. Uk bi de Verwandskup kunn man greune
Kohl un ein Stückje Brood hen brengen un dann
kunn uk wall wesen, dat anderdag ein Banketname
up de Teller lagg, de erste Buchstabe van de
Vörname ut Blätterdeig.
Was so ganz und gar verloren gegangen ist in
unserer modernen Welt ist das mit dem Teller
aufstellen. Abends am fünften Dezember kam der
Teller auf die Fensterbank in der Küche (zu stehen)
und da muss ein Grünkohlblatt darauf liegen und
eine Scheibe Schwarzbrot. Das ist für das Pferd des
Klaasohms, sagten die alten Leute. Nun haben wir
nie Klaaasohm mit einem Pferd gesehen, aber
merkwürdig, am nächsten Morgen war Grünkohl-
blatt und Schwarzbrot weg und guck, da lag ein
Stutenkerl mit (Ton)Pfeife oder Nikolausgebäck und
wer ganz besonders lieb gewesen war, für den war
da auch ein großes Schiff oder Klaasohm auf (dem)
Pferd (meist aus Lebkuchenteig). Auch bei der
Verwandtschaft konnte man grünen Kohl und ein
Stückchen Brot hin bringen und es konnte wohl
sein, dass am nächsten Tag ein Banketname auf
dem Teller lag, der erste Buchstabe des Vornamens
aus Blätterteig.
Mien Opa Jan Jochems hett in sien Jögd noch
beleevt, dat d’r gein Wiehnachtsboom was un uk
gein Gaaven an de Fierdagen. Na hollandse Maneier
kwammen de Präsenten an Klassohm un dat was
jüst uk neit ruum. Ein paar wullen Strümpen
(frauger see man van Hosen off Hosocken) off ein
sülvst gebraide Borstruntje off ander Tüüg tegen de
Kollde. An Wiehnachten gaff dat noch ein Teller mit
Slickergaud un Proot was ut.
Mein Opa Jan Jochems hat in seiner Jugend noch
erlebt, dass da kein Weihnachtsbaum war und keine
Gaben an den Feiertagen. Nach holländischem
Eigenart (Manier) kamen die Präsente zu Klaaasohm
und das war nicht gerade üppig. Ein Paar
Wollstrümpfe (früher sagte man auf Platt dazu Hosen oder
Hosocken) oder ein selbst gestricktes Unterhemd oder
anderes Zeug gegen die Kälte. Zu Weihnachten gab
es dann noch einen Teller mit Schleckerei und das
war's (wörtlich: Sprache/Gespräch war aus).
Ein allemachdeg moje Klaasohmavend
Einen überaus schönen Klaaasohmabend