Borkum - Ein Meilenstein in der Raumfahrt
Borkum - Ein Meilenstein in der Raumfahrt
Begann das Raumzeitalter auf Borkum? Über diese Frage kann ernsthaft diskutiert
werden, wenn man berücksichtigt, dass im Jahre 1934 Wernher von Braun die
ersten kreiselgesteuerten Flüssigkeitsraketen erfolgreich auf Borkum startete.
Diese zwei Raketen, die die Namen “Max” und “Moritz” (nach Wilhelm Busch)
trugen, führten u. a. unmittelbar zur Entwicklung der großen Trägerraketen, die
letztendlich die Reise zum Mond ermöglichten.
Die obige Karte bezieht sich auf den folgenden Artikel von Herrn Volker Apfeld,
veröffentlicht in der Borkumer Zeitung am 10. Okt. 2005.
Abschrift (auszugsweise):
Von Volker Apfeld
BORKUM - Der Heimatverein erhielt dieses Jahr Unterlagen über die Raketen-
versuche auf Borkum 1934, die bisher noch nicht bekannt waren.
In einem Geheimbericht vom 28.01.1935 wird über das Versuchsschießen mit den
Flüssigkeitsraketen „Rauchspurgerät II" (Rauchspurgerät I waren Pulver- oder
Feststoffraketen) detailliert berichtet. Neben zehn Raketentechnikern aus
Kummersdorf bei Potsdam, waren auch ca. 60 Borkumer bei dem Projekt beteiligt.
Ein handschriftlicher Vermerk vom 17.12.1934 mit der Überschrift
„Reichswehrminister" lautet:
„Hiermit wird befohlen, dass die gesamten im Dezember 1934 durchgeführten
Versuche des Heereswaffenamtes auf Borkum streng geheim sind. Es wird
ausdrücklich verboten:
1. Irgendwelche schriftlichen Aufzeichnungen zu machen oder über die Versuche
zu schreiben,
2. photographische Aufnahmen herzustellen,
3. sich über die Versuche außerdienstlich untereinander oder mit Dritten zu
unterhalten. Bei Fragen von dritter Seite ist zu Antworten, dass (über) die Art
des Versuchs nichts bekannt sei.
IA. Major und Referent, Kenntnis genommen: - es folgen alle Unterschriften -“
Am 10.12.1934 fuhr das Vorauskommando mit Dr. von Braun, Ing. Riedel, OFw.
Sommermeyer, Vorschlosser Grünow und Großkopf sowie Schlosser Lehman nach
Borkum, um mit den Vorbereitungsarbeiten zu beginnen.
Es wurde ein zwölf Meter hoher Abschussmast in den Steernklippdünen in der Nähe
der Ostbake aufgestellt, die elektrischen Schaltungen für das Drehstrom-
Anwurfgerät vorgenommen und die notwendigen Kreiselanlaufversuche an Ort und
Stelle durchgeführt. Alle Vorbereitungen konnten dank der guten Unterstützung
durch das Artillerie-Depot und die Festungskommandantur Borkum schnell und
programmgemäß durchgeführt werden, sodass, wie geplant, am 17.12.1934
nachmittags Startbereitschaft vorhanden war. Wegen des schlechten Wetters
musste der Abschuss aber zunächst verschoben werden. Alle Bewohner des
Ostlandes mussten ihre Häuser verlassen. Die Starts wurden durch einen
„Zeitlupenoperateur" gefilmt und fotografiert. Diese Aufnahmen dürften in den
Wirren des Krieges verloren gegangen oder vernichtet worden sein.
Der erste Start erfolgte am 19. Dezember 1934 mit der „A2"-Rakete namens „MAX".
Ihr Brennschluss erfolgte in 1700 m Höhe. Im Freiflug begann die Rakete stark zu
schlingern, bis sie sich überschlug und abstürzte. Die Rakete wurde ca. 800 Meter
von der Abschussstelle wieder gefunden. Der zweite Erprobungsflug mit der „A2"-
Rakete „MORITZ" erfolgte am 20. Dezember 1934, eine Viertelstunde nach
Sonnenaufgang. Bei diesem zweiten Erprobungsflug zeigte sich die Wirksamkeit der
Kreiselstabilisierung. Am Ende einer 200 m hohen Starkwindschicht stabilisierte sich
die „A2"-Rakete und flog stabil bis zur Brennschlusshöhe. Die Gipfelhöhe dieses
Erprobungsflugs betrug rund 2.200 m. Oberhalb des Brennschlusspunktes verloren
alle Beobachter das Gerät aus den Augen. Auch der Aufschlag konnte von keinem
beobachtet werden. Es wurde daraufhin von der Flugstation Norderney ein Flugzeug
angefordert, das den Aufschlagpunkt suchen sollte. Nach einigen vergeblichen
Bemühungen konnte das Gerät dann etwa 500 m vom Dünenrand entfernt im Schlick
des Wattenmeeres entdeckt werden.
Dimensionen der A2 -Raketen: Länge 1,61 m, Kaliber 31,4 cm, Leergewicht 72 kg,
Startgewicht 107 kg, Schubkraft 320 kp, Antriebsdauer (Brennzeit) 16s.
Nach diesem Erfolg der „A2"-Raketen konnten wesentlich weiterreichende
Raketenkonfigurationen gewagt werden. Diese Planungen führten zur Entwicklung
der „A3"-Rakete.
Zitat über die erfolgreichen Starts des A2 aus: Ruland, Bernd: Wernher von Braun -
Mein Leben für die Raumfahrt, Burda Verlag Offenburg, 2. Auflage 1969, S. 89:
„Es war für mich ein erhebendes und stolzes Gefühl. Wir hatten den Beweis, dass
wir auf dem richtigen Weg waren. „Max" und „Moritz", je etwa mannshoch und mit
einem Durchmesser von dreißig Zentimetern, angetrieben von Alkohol und flüssigem
Sauerstoff, waren die ersten Raketen, die damals über zwei Kilometer hochflogen.
Was für mich viel wichtiger war, ist dies: Die beiden waren mein ganz eigenes Werk.
Ich habe sie selbst konstruiert, jede ihrer Schrauben am Zeichenbrett entworfen,
den Druckregler konzipiert -kurz und gut, ich habe sie von A bis Z
zusammengebastelt. „Max" und „Moritz" hatten mir, wie ich so formulieren darf,
zum Durchbruch verholfen."
…...................
Nach dem 2. Weltkrieg arbeitete von Braun maßgeblich in den USA an dem Saturn-
Raketenprogramm der NASA. Mit dem Apollo-Raumschiff erreichte erstmalig der
Mensch den Mond. Eine bedeutende geschichtliche Entwicklung, die ihren Anfang auf
Borkum machte.
Ende der auszugsweisen Abschrift aus der Borkumer Zeitung.