Alt - Borkum Der Strand um 1901 Der Strand um 1883 T O P T O P
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Der folgende lustige plattdeutsche Beitrag beschreibt äußerst eindrucksvoll das Missgeschick eines Handwerkers nach dem Motto: “Man glaubt es nicht, was so alles passieren kann!”
Mallör sitt up ein lüttje Stee Mallör sitt up ein lüttje Stee
Mallör sitt up ein lüttje Stee
Ein kleines Missgeschick (hier: das Missgeschick sitzt auf einer kleinen Stelle)
Harm? Hier is Geerd! Kannst du mi helpen? Ik hebb mi beseert un nu will mien Versekerung weiten, hau dat gebört is. Ik bin neit so kündeg mit de Päne. Kannst du för mi ein Skrieven upsetten?
Harm? Hier ist Geerd! Kannst du mir helfen? Ich habe mich verletzt und jetzt will meine Versiche- rung wissen, wie das passiert ist. Ich bin nicht so kundig mit der Schreibfeder. Kannst du für mich ein Schreiben aufsetzen?
Dat maak ik för di, Geerd. Man nu vertell, hau du tau dien Mallör komen bist.
Das mache ich für dich, Geerd. Aber nun erzähle, wie du zu diesem Malheur gekommen bist.
Tja, dat was so. Ik bin doch Müürmann, man ik kann alles. Un anderlessens sull ik uk boven up Dack neeje Pannen leggen. Ein heil hoog Huus, man ik bin ja koppfast. Liev alläne stunn ik daar, mien Paschepanten harrn ander Wark. Boven up Dack was ik heil gau klar mit mien Wark, man daar wassen noch 150 Kilo Dackpannen over. Ik harr gein Lüst, dej Dinger de heile Trappen na undern tau slepen un so hebb ik mi docht, de Dackpannen in ein Tünne an de Butenmüre andaale tau laten. Over de Tünne hebb ik ein lang Tou knüsselt, dej over ein Rulle leip.
Tja, das war so. Ich bin doch Maurer, aber ich kann alles. Und neulich sollte ich oben auf dem Dach neue Pfannen legen. Ein sehr hohes Haus, aber ich bin ja schwindelfrei. Ganz alleine stand ich da, meine Kumpel hatte andere Arbeiten. Oben auf dem Dach war ich schnell fertig mit meiner Arbeit, aber da waren noch 150 Kilo Dachpfannen über. Ich hatte keine Lust, die Dinger die ganze Treppe nach unten zu schleppen und so habe ich mir gedacht, die Dachpfannen in eine Tonne an der Außenmauer runter zu lassen. Über die Tonne habe ich ein langes Tau gefummelt, das über eine Rolle lief.
Dat Tou hebb ik undern an de Grund fastmakt, bin weer up Dack gahn un hebb de Tünne vullpackt.
Das Tau habe ich unten am Grund festgemacht, bin wieder aufs Dach gegangen und habe die Tonne vollgepackt.
Dann bin ik weer na undern lopen un hebb dat Tou löss makt. Ik wull de 150 Kilo versichdeg na undern laten.
Dann bin ich wieder nach unten gelaufen und habe das Tau losgemacht. Ich wollte die 150 Kilo vor- sichtig nach unten lassen.
Nu bin ik ja neit heil dick un uk neit heil swaar. Ein Magermieger, seggt mien Frou. Ik weeg ja man bloot 75 Kilo. Ik was heil bestött, dat ik miteins gein Grund mehr under de Fauten harr un as so’n lüttje Engelke na boven glee. Ik was so van Padd off, dat ik vergeten hebb, dat Tou löss tau laaten. Mien Fahrt gung all gauer un gauer un so bi de darde Etage kwamm mi de Tünne tegen. Gung uk neit bi’t Siet ut un so kwamm ik tau mien Bröke van dat Schlötelbein un mien Bovenkamer was uk freewat up Wilde.
Nun bin ich ja nicht sehr dick und auch nicht sehr schwer. Ein dürrer Mensch (wörtlich: ein magerer Pinkler), sagt meine Frau. Ich wiege ja nur 75 Kilo. Ich war ganz erschrocken, dass ich plötzlich kein Grund mehr unter den Füßen hatte und wie ein kleines Engelchen nach oben glitt. Ich war so erschrocken (wörtlich: vom Pfad ab), dass ich vergessen habe, das Tau los zu lassen. Meine Fahrt ging immer schneller und schneller und so bei der dritten Etage kam mir die Tonne entgegen. Ging auch nicht zur Seite und so kam ich zu meinem Bruch des Schlüsselbeins und mein Obergeschoss (wörtlich: Obenzimmer) war auch reichlich durcheinander.
Ik namm weer Fahrt up na boven un dat dürde so lang, bit ik mit alle tien Fingers bi de Rulle in de Kniep satt. Ik harr düchdeg Piene un harr wall gielen kunnt, man ik hebb mi fasthollen, anders was ik van dat Dack fallen bit up de Grund. Man daar kwamm nett de Tünne an, houde hart up, de Dackpannen flogen drut, de Tünne was haast noch up Stee un nu weer licht, tauminnst harr ik mit mien 75 Kilo mehr Swaarte un so suusde ik weer na undern.
Ich nahm wieder Fahrt auf nach oben und das dauerte so lange, bis ich mit allen zehn Fingern bei der Rolle in der Klemme saß. Ich hatte sehr viel Schmerzen und hätte wohl schreien können, aber ich habe mich festgehalten, sonst wäre ich von dem Dach gefallen bis auf den Grund. Aber da kam gerade die Tonne an, haute hart auf, die Dachpfannen flogen raus, die Tonne war fast noch in Ordnung und nun wieder leicht, zumindest hatte ich mit meinen 75 Kilo mehr Schwere und so sauste ich wieder nach unten.
Un ruugweg in de Midde bin wi beiden weer inander rummelt, de Tünne un ik. Wi harrn beide düchdeg Fahrt drup un so hebb ik mi de Hacke un Stück off wat Toonen broken, de Huut van de Beinen open skört un kreeg uk ein fixe Stött in’t Underliev.
Und ungefähr in der Mitte sind wir beiden wieder zusammengerummelt, die Tonne und ich. Wir hatten beide tüchtig Fahrt drauf und so habe ich mir die Hacke und verschiedene Zehen gebrochen, die Haut von den Beinen aufgerissen und bekam auch einen ordentlichen Stoß in den Unterleib.
Man heil wiet was dat neit mehr bit up de Grund. Dat was ja spietelk, dat daar jüst de Dackpannen legen hebben un ik vull drup tau liggen kwamm. Dat krakde un dreej Ribbens bi mi wassen klatten.
Aber ganz weit war das nicht mehr bis auf den Grund. Das war ja bedauerlich, dass dort gerade die Dachpfannen gelegen haben und ich voll drauf zu liegen kam. Das krachte und drei Rippen bei mir waren kaputt.
Bi dej Piene hebb ik dat Tou löss laten un neit mehr an dej olde Tünne docht. Dej was heil gau undern. Ik was sünder Benüll un as ik weer bi Verstand kwamm, wassen dreej Kusen weg un de Nöse platt as ein Pannkauk.
Bei den Schmerzen habe ich das Tau losgelassen und nicht mehr an die alte Tonne gedacht. Die war ganz schnell unten. Ich war ohne Besinnung und wie ich wieder zu Verstand kam, waren drei Zähne weg und die Nase platt wie ein Pfannkuchen.
Kiek un ligg ik hier in’t Krankenhuus un as d’r Beseuk kummt un fragt mi, off dat noch seer deit, kann ik alltied bloot seggen: Nee, bloot wenn ik lachen mutt!
Guck mal und (nun) liege ich hier im Krankenhaus und wenn Besuch kommt und mich fragt, ob das noch weh tut, kann ich immer nur sagen: Nein, nur wenn ich lachen muss!
Jan Schneeberg
Hinweis: Da auch die plattdeutsche Sprache - wie grundsätzlich jede Sprache - oft erst sinnentnehmend erschließbar wird, wurden zum besseren Verständ- nis der Sprachbildung an speziellen Stellen eine fast wörtliche Übersetzung von Teilsätzen und Begriffen innerhalb runder Klammern ( .. ) aufgezeigt.
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