Dat Ooge
Das Auge
„Hebb ik jau all over mien allerbeste Fründ Jan
Janssen ut Stiekelkamperfehn vertellt?
"Habe ich euch schon von meinem allerbesten
Freund Jan Janssen aus Stiekelkamperfehn erzählt?
Mien olde Kriegskamerad?“
Meinem alten Kriegskamerad?"
„Opa, nu hör up tau lüllen. Dej olde Döntjes hebben
wi all dusendmal hört“.
"Opa, hör auf zu labern. Die alten Kamellen haben
wir schon tausendmal gehört."
- „Nu laat Opa doch evkes vertellen. Dat is doch all,
wat heej noch hett. Proot du man moij, Opa!“
- "Nun lass Opa doch eben erzählen. Das ist doch
alles, was er noch hat. Erzähl mal schön, Opa!"
„Tja, dann will ik dat uk neit verswiegen. Um Jan
Janssen is s’mals ein Doktor besefflos van de Staule
fallen. Dat was so. Wi wassen beide tausamen in de
Krieg. Up de Rückzug. All dej tegen uns wassen,
hebben uns düchdeg tausett. Un bi ein grote Stadt –
hau was de Name man noch? Man vergett uk ja so
völ! Ik koom d’r neit up!“
"Tja, dann will ich das auch nicht verschweigen.
Wegen Jan Janssen ist früher ein Doktor
besinnungslos vom Stuhl gefallen. Das war so. Wir
waren beide zusammen im Krieg. Auf dem Rückzug.
Alle die gegen uns waren, haben uns tüchtig
gepiesackt. Und bei einer großen Stadt - wie war
der Name noch? Man vergisst auch ja so viel. Ich
komme jetzt nicht drauf."
“Opa!!!”
"Opa!!!"
“Is ja uk pottegal. Tauminnst hebben seej Jan
Janssen in de Kopp skoten un heej hett ein Oog
verloren. Man heej is d’r noch gaud van offkomen un
hett ein Glasooge kregen. Kunn man haast neit
seihn, so natürlek sagg dat ut.
"Ist ja egal. Zumindest, sie schossen Jan Janssen in
den Kopf und er hat ein Auge verloren. Aber er hat
noch Glück gehabt und hat ein Glasauge
bekommen. Man konnte das fast nicht sehen, so
natürlich sah das aus.
S’avends hett heej alltied dat Ooge drut nomen,
skoon makt un för ein paar Stünden in’t Water leggt.
Haast so, as off man ein Gebitt hett un s’avends in
ein Koppke leggt.“
Abends hat er das Auge immer raus genommen,
sauber gemacht und für ein paar Stunden ins
Wasser gelegt. Fast genauso, als wenn man ein
Gebiss hat und das abends in eine Tasse legt."
„Opa !!!“
„Opa !!!“
„Ja, dat is so in’t Older. Daar komen ji uk noch hen“.
"Tja, das ist so im Alter. Da kommt ihr auch noch
hin."
„Nu man wieder. Wat was mit dej Keerl?“
"Jetzt weiter. Was war mit dem Kerl?"
„Welke Keerl? Och, ji meinen Jan Janssen? Heej was
ja dodsgaud, man ein heil ruug Swien. Un neit freej
van de Drank. Wat dej dör’t Halsgatt jagt hett, daar
kunnst wall ein Dreejmastskoner för kopen. Un dann
is heej mal avends van Land komen, mit ein fixe
Snee in’t Ohr un hett Bedde man süneg tau packen
kregen. Man dat hett heej noit vergeten: Ooge drut,
hemmeln un in ein Glas mit Water. Dat stunn up sien
Nachttavel. S’mörgens, as heej weer so’n bitje bi
Verstand kwamm, harr heej allemachdege Dörst un
de Tunge stiev in de Hals. Heej hett dat Glas grepen
un ein paar fixe Klucken nomen. Tja, un dann is’t
gebört: Glas was leeg un Ooge was weg! „
"Welcher Kerl?, O, ihr meint Jan Janssen. Er war
herzensgut, aber auch ein Raubein. Und dem Sprit
nicht abgeneigt. Was der durch seinen Hals
gegossen hat, dafür hätte man einen
Dreimastschoner kaufen können. Und dann ist er
mal abends von seiner Tour gekommen, hatte
ordentlich einen geladen und hat nur knapp sein
Bett gefunden. Aber das hat er nie vergessen: Auge
raus, sauber machen und in ein Glas mit Wasser.
Das stand auf dem Nachtschrank. Am frühen
Morgen, als er langsam wieder zu Verstand kam,
hatte er unglaublichen Durst und die Zunge klebte
im Mund. Er hat das Glas gegriffen und ein paar
ordentliche Schlucke genommen. Tja und dann ist
es passiert: Das Glas war leer und das Auge war
weg!"
„Opa! Du lüggst! Dat kann ja neit wahr wesen!”
"Opa, du lügst. Das kann doch nicht wahr sein!"
„Ik will up de Stee dod umfallen, wenn ik jau wat
vörleigen dau. Heej hett sien eigen Ooge upsopen.
Wat nu? Ein Dag later muß heej na de Doktor. Dat
was ein staffolde Mann, dej all ein bitje unklümeg
was. Un freewat doov up de Ohren. Jan harr alltied
so’n Jök an’t Achterende un dat wull heej
underseuken laten. Nu lagg Jan splinternakend up
so’n lüttje Planke un de Doktor fung an tau
knüsseln. Heej hett hum de Neersbillen utnander
skört un mit ein Lampe binnen keken. Un dann is de
Doktor van de Staule fallen.. De Sprechstündenhülpe
harr Halswark, hum weer bi tau kriegen. Un dann
hett hett heej seggt, warum heej beswiemt was. Ut
Jan sien Neersgatt harr hum ein Ooge ankeken, ein
Ooge van ein Menske. Blou-grou. So natürlek, dat de
Doktor sück haast up de Dod verfeert hett.“
"Ich will auf der Stelle tot umfallen, wenn ich euch
etwas vorlüge. Er hat sein eigenes Auge runter
gespült. Was jetzt? Einen Tag später musste er zum
Arzt. Das war ein sehr alter Mann, der schon etwas
tatterig war. Und sehr schwerhörig. Jan hatte
immer einen Juckreiz am Po und das wollte er
untersuchen lassen. Jetzt lag Jan vollkommen
nackend auf einer schmalen Pritsche und der
Doktor fing an zu fummeln. Er hat die Pobacken
auseinander gezerrt und mit einer Lampe nach
innen geleuchtet. Und dann ist der Doktor vom
Stuhl gefallen. Die Sprechstundenhilfe hatte Mühe,
ihn aus der Ohnmacht zurück zu holen. Und dann
hat er gesagt, warum ihm so schwindelig geworden
war. Aus Jans Popo hätte ihn ein Auge angeguckt,
ein Menschenauge. Blau-grau, so natürlich, dass
sich der Doktor zu Tode erschreckt hat."
„Harrijasses Opa!“
"Igitt Opa!"
„Daar is doch nix bi. De Doktor harr ein neej Döntje
bi sien Stammtavel tau vertellen un Jan Janssen harr
sien Oog weer!“
"Da ist doch nichts dabei. Der Doktor kann eine
neue Story bei seinem Stammtisch erzählen und Jan
Janssen hat sein Auge wieder!"