Blaudsuuger
Blutegel
Frauger gungen de Lü erst na de Doktor, as
Hoffmannsdrüpen, Wuurmkruud of Harlemer Ölje
neit mehr helpen wull. T'gaff ein Tied, daar was dat
uk Maude, dat man tegen meneg Gebrecken,
besünders bi vullbleudege Mensken, Blaudsuuger
ansetten de. Dej kunn man in de Apteik haalen. Uk
Doktor Steffens, dej in ein Dörp in Oostfreisland an't
warken was, hollde d'r völ van. Man he was neit
mehr de Jungste un bitieden freewat vergeetlek. So
vergatt he fakers sien Patienten tau seggen, hau
seej dat Gaudje, wat he verskreev, innehmen
mussen.
Früher gingen die Leute erst zum Doktor, wenn
Hoffmannstropfen, Wurmkraut oder Harlemer Öl
nicht heilten (hier: nicht helfen wollte). Es gab eine Zeit,
da war es Mode, dass man gegen verschiedene
Gebrechen, besonders bei „vollblutigen“ Menschen,
Blutegel ansetzte. Die konnte man in der Apotheke
holen. Auch Doktor Steffens, der in einem Dorf in
Ostfriesland arbeitete, hielt viel davon. Aber er war
nicht mehr der Jüngste und bisweilen (ordentlich)
vergesslich. So vergaß er oft seinen Patienten zu
sagen, wie sie die Medizin (hier:das Zeug), die (was) er
verschrieb, einnehmen mussten.
Daar kwamm oll Geertjemöike bi hum un klagde, dat
hör Derk krank in't Bedde lagg. He harr seker de
Dardedagskollde, meinde seej. Hum deen alle
Knaken sehr, he mugg gein Eeten off Drinken, uk
gein Piepke un an sien Doornkaat, dej sien Medizin
wass un van dej he dreej Klucken up de Dag namm -
eine s'mörgens nöchtern teegen de Wurms, eine na't
Middageten tau verlichten un eine för de Bedde-
gahnstied tegen sware Drömen - harr d'r gein
Smaak mehr an.
Da kam (die) alte Tante Geertje zu ihm und klagte,
dass ihr Derk krank im Bett lag. Er hat sicher die
„Dreitagekälte“ (schwere Erkältung, die mindestens 3 Tage
anhält), meinte sie. Ihm taten alle Knochen weh, er
mochte kein Essen oder Trinken, auch kein
Pfeifchen und an seinem Doornkaat, der seine
Medizin war und von dem er drei Schlucke auf den
Tag nahm - einen morgens nüchtern gegen die
Würmer, einen nach dem Mittagessen zum
Erleichtern und einen vor der Bettgehzeit gegen
schwere Träume - hatte er keinen Geschmack mehr
(an).
Derkohmke was noch noit in sien Leven krank west
un so lang as seej trout wassen – un dat is ja eine
heile Sett her – harrn seej noch gein Doktor bruukt,
man nu was dat sowiet. Seej harrn alles in Huus
probeiert, man nix hulp.
Onkel Derk war noch nie in seinem Leben krank
gewesen und so lange sie verheiratet waren - und
das ist ja eine ganze Weile her - hatten sie noch
keinen Doktor gebraucht, aber jetzt war es (das)
soweit. Sie hatten alles im Haus probiert, aber
nichts half.
Doktor Steffens haalde sien Rezeptblock vandag,
bladerde wat hen un her.
Doktor Steffens holte seinen Rezeptblock (vor),
blätterte etwas hin und her.
„So“, see d'r,“ ik hebb hier wat Drüppen upskreven,
dej mutten ji van de Apteik haalen un hum ingeven.
Un dann breng man uk 8 Blaudsuuger mit, dej
helpen gaud tegen de glujende Hitze. Un mörgen
koom ik un kiek mi Derk an“.
„So“, sagte er, „ ich habe hier einige Tropfen
aufgeschrieben, die müsst ihr von der Apotheke
holen und ihm eingeben. Und dann bringt ruhig
auch 8 Blutegel mit, die helfen gut gegen die
glühende Hitze. Und morgen komme ich und gucke
mir Derk an.“
Ander Dag kwamm de Doktor. Derkohmke lagg in't
Bedde. He was haast neit tau finnen, in sovöl
Küssens un feeren Beddegaud harr sien Frou hum
inpackt. Um de Kopp harr he Stück off wat wullen
Dauken un uk swarte Skaapwulle, umdat he gein
Zogg kreeg. Dicke Sweitdruulen leipen hum de Kopp
andaale.
Am nächsten Tag kam der Doktor. Onkel Derk lag
im Bett. Er war fast nicht zu finden, in so vielen
Kissen und Feder-Bettzeug hatte seine Frau ihn
eingepackt. Um den Kopf hatte er mehrere
Wolldecken und auch schwarze Schafwolle, damit er
keine Zugluft bekam. Dicke Schweißperlen liefen
ihm den Kopf herunter.
„Mien leiwe Geertje“, see de Doktor,“ dej Mann
kummt ja um vör Hitze. Hau is't nu dann? Hebben de
Drüppen hulpen un de Blaudsuugers hör Fliet daan?“
„Meine liebe Geertje“, sagte der Doktor, „ der Mann
kommt ja um vor Hitze. Wie ist es denn jetzt?
Haben die Tropfen geholfen und die Blutegel ihren
Pflicht (hier: Fleiß, Absicht) getan?“
„Ja, Heer Doktor“, see Geertjemöike, „de Drüppen
hett he gaud noomen. Seej wassen ja ein bitje bitter,
dat was ja all in de Riege. Man mit de Blaudsuuger,
dat was ja ein Angahn. Wi hebben d'r unse Levend
noch nix mit tau daun hatt un ik wuss neit so recht,
hau man dej innehmen muss. Dat was neit so licht,
hum de Dinger binnen tau kriegen. Derk funn hör
grieselk. Veier Stück hebb ik hum so na un na
binnen knaujet un he hett hör dör't Halsgatt glieden
laaten. Man dann was't ut. He hett geine mehr
noomen un de Kopp bi't Siet dreiht, as ik d'r mit
ankwamm. Un daar wuss ik gein beter Raad, as hör
mit ein Stückje gaude Botter in de Paane tau braden.
Un dej hett he uk all upeten un seej bin hum gaud
bekoomen.“
„Ja, Herr Doktor“, sagte Tante Geertje, „ die
Tropfen hat er gut genommen. Sie waren ja ein
wenig bitter, aber das war ja alles in Ordnung. Aber
mit den Blutegeln, das war ja eine Prozedur (hier:
Entstehen). Wir haben damit in unserem Leben noch
nichts zu tun gehabt und ich wusste nicht so recht,
wie man sie einnehmen muss. Das war nicht so
leicht, ihm die Dinger rein zu kriegen. Derk fand sie
grässlich (schauderhaft). Vier Stück habe ich ihm so
nach und nach reingequält und er hat sie durch die
Kehle gleiten lassen. Aber dann war's aus. Er hat
keine mehr genommen und den Kopf zur Seite
gedreht, als ich damit kam (hier:ankam). Und da
wusste ich keinen besseren Rat, als sie mit einem
Stückchen gute Butter in der Pfanne zu braten. Und
die hat er auch alle aufgegessen und sie sind ihm
auch gut bekommen.“