Dat Wunder
Das Wunder
In olde Tieden was dat heil anders in Burenhusen as
vandage. Middags kwamm ein grote Kumme up de
Tavel. Tellers gaff dat neit. Un daar satten de Buur
un de Buurinske un Maiden un Knechten rund um
tau un elk harr ein Lepel in de Hand un muß seihn,
dat heej sien Part kreeg.
In alten Zeiten war das ganz anders in Bauern-
häusern als heute. Mittags kam ein große Schüssel
auf den Tisch. Teller gab es nicht. Und da saßen der
Bauer un die Bäuerin und Mägde und Knechte rund
herum und jeder hatte einen Löffel in der Hand und
musste sehen, das er seinen Anteil bekam.
Nu gaff dat sönndags faak Ries un dann was dat
doch ein bitje anders. Waar de Buur satt un sien
Frou un de Kinder, daar wassen lüttje Seen van
smolten Botter up de warme Ries, man up de ander
Siet bi de Maiden un Knechten, daar was bloot Ries,
nix as witte Ries.
Nun gab es sonntags oft Reis und dann war das
doch ein wenig anders. Wo der Bauer saß und seine
Frau und die Kinder, dort waren kleine Seen von
geschmolzener Butter auf dem warmen Reis, aber
auf der anderen Seite bei den Mägden und
Knechten, dort war nur Reis, nichts wie weißer Reis.
Man de erste Knecht, dej was dat neit recht. Heej
was düwels in de Kook un was an't siemeleiern, hau
man de Pott dreihen kunn, sünder dat de Buur d'r
achter kwamm.
Aber der 1. Knecht, dem war das nicht recht. Er war
wütend (teuflisch am kochen) und war am überlegen,
wie man de Topf drehen konnte, ohne das der Bauer
dahinter kam.
De Sönndag kwamm un weer gaff dat Ries. De
Grootknecht keek mit sure Oogen na de Botterseej
up de ander Siet un namm de Pett van de Kopp. De
Buur see: „Laat uns evkes stille wesen för ein Gebett
un de Oogen sluten!“
Der Sonntag kam und wieder gab es Reis. Der
Großknecht kuckte mit sauren Augen zu (nach) dem
Buttersee auf der anderen Seite und nahm die
Mütze von dem Kopf. Der Bauer sagte: „Lasst uns
eben still sein für ein Gebet und die Augen
schließen!“
Na ein Minüte see de Buur van „Mahltied“, greep na
de Lepel un wull düchdeg haffeln. Man wat was d'r
gebört? För de Grootknecht was de deipste
Botterseej un för de Buur un sien Familie dröge Ries!
Nach einer Minute sagte der Bauer (von) „Mahlzeit“,
griff zum Löffel und wollte tüchtig reinhauen (haffeln
– gierig und schnell essen). Aber was war da passiert?
Vor dem Großknecht war der tiefste Buttersee und
vor dem Bauer und seiner Familie trockener Reis!
Nu wull heej de Kumme sachte umdreihen, man de
Knecht hollde hum stiev fast. „Wat steiht, dat
steiht!“, see he. „Ik hebb uns Heer evkes beden, dat
ik einmal Ries mit Botter krieg. Nu kiek! Daar is ein
Wunder gebört!“
Nun wollte er die Schüssel vorsichtig umdrehen,
aber der Knecht hielt sie sehr fest (hielt ihn sehr stark,
unbeirrt fest). “Was steht, das steht!“, sagte er. “Ich
habe unseren Herrn kurz gebeten, dass ich einmal
Reis mit Butter bekomme. Nun guck! Da ist ein
Wunder geschehen!“
Ditmal kreeg de Knecht Ries mit Botter, man de Buur
hett dann düchdeg uppasst, dat de Heergott gein
Wunder mehr daun kunn.
Diesmal bekam der Knecht Reis mit Butter, aber der
Bauer hat dann tüchtig aufgepasst, dass der
Herrgott keine Wunder mehr tat (keine Wunder mehr tun
konnte).