Jan Wienekamp ut
Oostfreisland
Jan Wienekamp aus
Ostfriesland
Jan Wienekamp kwamm ut ein lüttjet Dörp, midden
in Oostfreisland, in de Benaate van Auerk. Jan was
neit löij, man uk neit flieteg. Heej was gein Freter,
man alltied was heej an’t kouen. Heej was gein
Super, man harr alltied Dörst. Heej was neit trout,
man satt alltied achter de Wichter an. Heej was neit
wies, man heej kunn genou seggen, wat in de
Benaate un in de wiede Wereld gebörde.
Jan Wienekamp kam aus einem kleinen Dorf, mitten
in Ostfriesland, in der Nähe von Aurich. Jan war
nicht faul, aber auch nicht fleißig. Er war kein
Fresser, aber immer war er am Kauen. Er war kein
Säufer, aber hatte immer Durst. Er war nicht
verheiratet, aber immer hinter den Mädchen her. Er
war nicht überschlau, aber konnte genau sagen,
was in der Nähe und in der weiten Welt passierte.
Un heej harr uk ein Stammboom. Un daar was heej
düchdeg stollt up. Bi ein Fürwehrfest truff heej
tweej Lü, dej van wiet weg kwammen. Ein Franzose
un ein Engelsmann, dej beide gaud düts proten
kunnen. Bi ein Glaske Beier kwammen seej
mitnander in’t Gespreck. Un dat dürde neit lang,
daar harr seej de Vörolden bi de Kopp. „Mien Lü
gahn taurügg bit tau Kaiser Napoleon, tauminnst in
dej Tied“, see de Franzmann. „Dat is nix,“ see de
Engelsmann,“ unse Stammboom geiht taurügg bit na
de Wikinger“. Un beide keken up de Dütse, up Jan
Wienekamp ut Oostfreisland.
Und er hatte auch einen Stammbaum. Und darauf
war er sehr stolz. Bei einem Feuerwehrfest traf er
zwei Leute, die von weit herkamen. Ein Franzose
und ein Engländer, die beide gut deutsch sprachen.
Bei einem Gläschen Bier kamen sie (zusammen) ins
Gespräch. Und es dauerte nicht lange, da kamen sie
auf die Voreltern zu sprechen. „Meine Leute gehen
zurück bis zum Kaiser Napoleon, zumindest in diese
Zeit“, sagte der Franzose. „Das ist nichts“, sagte
der Engländer,“ unser Stammbaum geht zurück bis
zu den Wikinger“. Und beide sahen auf den
Deutschen, Jan Wienekamp aus Ostfriesland.
Dej kravde sück ein bitje achter’t Ohr un see
bedaad:“ Ik mutt erst mien Frou fragen, man ik
mein, dat Adams Ollske, de Eva, ein geboren
Wienekamp west hett.“
Der kratzte sich ein wenig hinter dem Ohr und sagte
ruhig: „Ich muss erst meine Frau fragen, aber ich
meine, dass Adams Alte, die Eva, eine geborene
Wienekamp gewesen ist.“
Wat Jan sien Vader was, Geerd mit Name, dat was
uk ein klüchdege Keerl. Heej was hoog an Jahren un
vör ein kaart Settje hett heej de letzde Kusen
verloren. De Doktor hett hör drut skört. Nu harr
Geerd ein heil neej Gebitt. Man heej kwamm d’r neit
klar mit. Dat Dingereis satt nei recht fast un gung in
de Mund taukehr as man wat, hen un her, hoog un
andaale. Nu harr sien Frou middags Ries un Rosinen
kokt, daar leip hum all vörtied dat Water in de Beck
binander, ein heile Kumme kunn heej daarvan eten,
so lecker was dat.
Der Vater von Jan, mit Namen Geerd, das war auch
ein humoriger Mensch. Er war hoch an Jahren und
vor kurzer Zeit hatte er die letzten Zähne verloren.
Der Doktor hatte sie ihm rausgerissen. Nun hatte
Geerd ein ganz neues Gebiss. Aber er kam damit
nicht klar. Das Ding saß nicht richtig fest und ging
im Mund immer hin und her, hoch und runter. Nun
hatte seine Frau mittags Reis mit Rosinen gekocht,
da lief ihm das Wasser schon vorher im Maul
zusammen, eine ganze Schüssel konnte er davon
essen, so lecker war das.
Heej strüpde de Mouen umhoog un begünnde tau
haffeln. Man heej harr neit bloot de Ries un Rosinen
in de Mund, heej koude uk up dat rare Gebitt umme.
De Olle was brissen un düwels kwaad. Heej skörde
dat Gebitt ut de Beck, smeet hum in de vulle Teller
un reip:“ So, nu freet alläne!“
Er krempelte die Ärmel hoch und begann zu
schlingen. Aber er hatte nicht nur den Reis mit
Rosinen im Mund, er kaute auch auf dem merk-
würdigen Gebiss rum. Der Alte war wütend und
stinksauer. Er riss das Gebiss aus dem Mund
(Maul/Mund), warf es in den vollen Teller und rief: „So,
nun friss alleine!“
De Breuer van Jan was Hinderk. Deej was
Fahrensmann. As heej van ein grote Reise weer
taurügg kwamm, stunn sien leiwe Frou an de Haben
tau wachten. Seej wassen noch neit lang trout un
hör Leivde was groot. Noch groter was de Bliedskup,
as sien lüttje Tüüt hum vör Maanden vertellt harr,
dat seej wat Lüttjes verwachte. Hinderk was frauger
ein ruug Swien west, man siet heej trout was un dat
d’r nu ein lüttje Stummel komen sull, kunn man dej
Mann neit weer. Heej stunn de heile Dag achter sien
Frou un was düchdeg benaud um hör. Man dat heej
weer an Boord sull, as sien Frou tau liggen kwamm,
dat kunn hum düchdeg begroten.
Der Bruder von Jan war Hinderk. Er war Fahrens-
mann. Als er von einer großen Reise wieder
zurückkam, stand seine liebe Frau am Hafen und
wartete. Sie waren noch nicht lange verheiratet und
ihre Liebe war groß. Noch größer war die Freude,
als sein kleiner Schatz ihm vor Monaten erzählt
hatte, dass sie was Kleines erwartete. Hinderk war
früher ein grober Kerl gewesen, aber seit er ver-
heiratet war und dazu noch ein kleiner Knirps
kommen sollte, kannte man den Mann nicht wieder.
Er stand den ganzen Tag hinter seiner Frau und war
sehr ängstlich um sie bemüht. Aber das er jetzt
wieder an Bord sollte, wenn seine Frau zum Liegen
kam, bedauerte er sehr.
„Sull ik di ein Telegramm stüren, as uns Puppke d’r
is?“, fragde sien Hartensleivde. „Nee, bloot nei“, see
Hinderk, „dat is tau dür, as dej andern an Boord d’r
achter komen. Wi mutten mitnander ein Woord
utmaken, waar bloot wi beiden weiten, wat dat
bedüden sall. Skriev man Appel tüsken de Riegen,
dann weit ik, dat d’r ein Kindje upstahn is.“
„Soll ich dir ein Telegramm schicken, wenn unser
Püppchen da ist?“, fragte seine Herzallerliebste.
„Nee, bloß nicht“, sagte Hinderk, „das ist zu teuer,
wenn die anderen an Bord dahinter kommen. Wir
müssen miteinander ein Wort verabreden, wo nur
wir beide wissen, was es bedeuten soll. Schreib nur
Apfel zwischen den Zeilen, dann weiß ich, dass ein
Kindchen geboren (aufgestanden) ist.“
Hinderk was weer ein paar Dage an Boord, daar
kwamm de Funker up hum daal. „Ik hebb hier ein
Funktelegramm für Jau“. Hinderk gung gau in sien
Kamer un begünnde tau lesen:
Hinderk war wieder ein paar Tage an Bord, da kam
der Funker auf ihn zu. „Ich habe hier ein Funktele-
gramm für Sie“. Hinderk ging schnell in seine
Kammer und begann zu lesen:
„Mien leiwe Mann. Appel! Appel! Appel! Tweej mit
Stengel un eine sünder! Dien lüttje Frou“.
„Mein lieber Mann. Apfel! Apfel! Apfel! Zwei mit
Stängel und einer ohne! Deine kleine Frau.”