Alt - Borkum Der Strand um 1901 Der Strand um 1883 T O P T O P
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Der folgende plattdeutsche Beitrag erzählt lustige Geschichten von Jan Wienekamp, seinem Vater und seinem Bruder.
Jan Wienekamp aus Ostfriesland Jan Wienekamp aus Ostfriesland
Jan Schneeberg
Hinweis: Da auch die plattdeutsche Sprache - wie grundsätzlich jede Sprache - oft erst sinnentnehmend erschließbar wird, wurden zum besseren Verständ- nis der Sprachbildung an speziellen Stellen eine fast wörtliche Übersetzung von Teilsätzen und Begriffen innerhalb runder Klammern ( .. ) aufgezeigt.
Sprachausgabe des plattdeutschen Textes!
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Jan Wienekamp ut Oostfreisland
Jan Wienekamp aus Ostfriesland
Jan Wienekamp kwamm ut ein lüttjet Dörp, midden in Oostfreisland, in de Benaate van Auerk. Jan was neit löij, man uk neit flieteg. Heej was gein Freter, man alltied was heej an’t kouen. Heej was gein Super, man harr alltied Dörst. Heej was neit trout, man satt alltied achter de Wichter an. Heej was neit wies, man heej kunn genou seggen, wat in de Benaate un in de wiede Wereld gebörde.
Jan Wienekamp kam aus einem kleinen Dorf, mitten in Ostfriesland, in der Nähe von Aurich. Jan war nicht faul, aber auch nicht fleißig. Er war kein Fresser, aber immer war er am Kauen. Er war kein Säufer, aber hatte immer Durst. Er war nicht verheiratet, aber immer hinter den Mädchen her. Er war nicht überschlau, aber konnte genau sagen, was in der Nähe und in der weiten Welt passierte.
Un heej harr uk ein Stammboom. Un daar was heej düchdeg stollt up. Bi ein Fürwehrfest truff heej tweej Lü, dej van wiet weg kwammen. Ein Franzose un ein Engelsmann, dej beide gaud düts proten kunnen. Bi ein Glaske Beier kwammen seej mitnander in’t Gespreck. Un dat dürde neit lang, daar harr seej de Vörolden bi de Kopp. „Mien Lü gahn taurügg bit tau Kaiser Napoleon, tauminnst in dej Tied“, see de Franzmann. „Dat is nix,“ see de Engelsmann,“ unse Stammboom geiht taurügg bit na de Wikinger“. Un beide keken up de Dütse, up Jan Wienekamp ut Oostfreisland.
Und er hatte auch einen Stammbaum. Und darauf war er sehr stolz. Bei einem Feuerwehrfest traf er zwei Leute, die von weit herkamen. Ein Franzose und ein Engländer, die beide gut deutsch sprachen. Bei einem Gläschen Bier kamen sie (zusammen) ins Gespräch. Und es dauerte nicht lange, da kamen sie auf die Voreltern zu sprechen. „Meine Leute gehen zurück bis zum Kaiser Napoleon, zumindest in diese Zeit“, sagte der Franzose. „Das ist nichts“, sagte der Engländer,“ unser Stammbaum geht zurück bis zu den Wikinger“. Und beide sahen auf den Deutschen, Jan Wienekamp aus Ostfriesland.
Dej kravde sück ein bitje achter’t Ohr un see bedaad:“ Ik mutt erst mien Frou fragen, man ik mein, dat Adams Ollske, de Eva, ein geboren Wienekamp west hett.“
Der kratzte sich ein wenig hinter dem Ohr und sagte ruhig: „Ich muss erst meine Frau fragen, aber ich meine, dass Adams Alte, die Eva, eine geborene Wienekamp gewesen ist.“
Wat Jan sien Vader was, Geerd mit Name, dat was uk ein klüchdege Keerl. Heej was hoog an Jahren un vör ein kaart Settje hett heej de letzde Kusen verloren. De Doktor hett hör drut skört. Nu harr Geerd ein heil neej Gebitt. Man heej kwamm d’r neit klar mit. Dat Dingereis satt nei recht fast un gung in de Mund taukehr as man wat, hen un her, hoog un andaale. Nu harr sien Frou middags Ries un Rosinen kokt, daar leip hum all vörtied dat Water in de Beck binander, ein heile Kumme kunn heej daarvan eten, so lecker was dat.
Der Vater von Jan, mit Namen Geerd, das war auch ein humoriger Mensch. Er war hoch an Jahren und vor kurzer Zeit hatte er die letzten Zähne verloren. Der Doktor hatte sie ihm rausgerissen. Nun hatte Geerd ein ganz neues Gebiss. Aber er kam damit nicht klar. Das Ding saß nicht richtig fest und ging im Mund immer hin und her, hoch und runter. Nun hatte seine Frau mittags Reis mit Rosinen gekocht, da lief ihm das Wasser schon vorher im Maul zusammen, eine ganze Schüssel konnte er davon essen, so lecker war das.
Heej strüpde de Mouen umhoog un begünnde tau haffeln. Man heej harr neit bloot de Ries un Rosinen in de Mund, heej koude uk up dat rare Gebitt umme. De Olle was brissen un düwels kwaad. Heej skörde dat Gebitt ut de Beck, smeet hum in de vulle Teller un reip:“ So, nu freet alläne!“
Er krempelte die Ärmel hoch und begann zu schlingen. Aber er hatte nicht nur den Reis mit Rosinen im Mund, er kaute auch auf dem merk- würdigen Gebiss rum. Der Alte war wütend und stinksauer. Er riss das Gebiss aus dem Mund (Maul/Mund), warf es in den vollen Teller und rief: „So, nun friss alleine!“
De Breuer van Jan was Hinderk. Deej was Fahrensmann. As heej van ein grote Reise weer taurügg kwamm, stunn sien leiwe Frou an de Haben tau wachten. Seej wassen noch neit lang trout un hör Leivde was groot. Noch groter was de Bliedskup, as sien lüttje Tüüt hum vör Maanden vertellt harr, dat seej wat Lüttjes verwachte. Hinderk was frauger ein ruug Swien west, man siet heej trout was un dat d’r nu ein lüttje Stummel komen sull, kunn man dej Mann neit weer. Heej stunn de heile Dag achter sien Frou un was düchdeg benaud um hör. Man dat heej weer an Boord sull, as sien Frou tau liggen kwamm, dat kunn hum düchdeg begroten.
Der Bruder von Jan war Hinderk. Er war Fahrens- mann. Als er von einer großen Reise wieder zurückkam, stand seine liebe Frau am Hafen und wartete. Sie waren noch nicht lange verheiratet und ihre Liebe war groß. Noch größer war die Freude, als sein kleiner Schatz ihm vor Monaten erzählt hatte, dass sie was Kleines erwartete. Hinderk war früher ein grober Kerl gewesen, aber seit er ver- heiratet war und dazu noch ein kleiner Knirps kommen sollte, kannte man den Mann nicht wieder. Er stand den ganzen Tag hinter seiner Frau und war sehr ängstlich um sie bemüht. Aber das er jetzt wieder an Bord sollte, wenn seine Frau zum Liegen kam, bedauerte er sehr.
„Sull ik di ein Telegramm stüren, as uns Puppke d’r is?“, fragde sien Hartensleivde. „Nee, bloot nei“, see Hinderk, „dat is tau dür, as dej andern an Boord d’r achter komen. Wi mutten mitnander ein Woord utmaken, waar bloot wi beiden weiten, wat dat bedüden sall. Skriev man Appel tüsken de Riegen, dann weit ik, dat d’r ein Kindje upstahn is.“
„Soll ich dir ein Telegramm schicken, wenn unser Püppchen da ist?“, fragte seine Herzallerliebste. „Nee, bloß nicht“, sagte Hinderk, „das ist zu teuer, wenn die anderen an Bord dahinter kommen. Wir müssen miteinander ein Wort verabreden, wo nur wir beide wissen, was es bedeuten soll. Schreib nur Apfel zwischen den Zeilen, dann weiß ich, dass ein Kindchen geboren (aufgestanden) ist.“
Hinderk was weer ein paar Dage an Boord, daar kwamm de Funker up hum daal. „Ik hebb hier ein Funktelegramm für Jau“. Hinderk gung gau in sien Kamer un begünnde tau lesen:
Hinderk war wieder ein paar Tage an Bord, da kam der Funker auf ihn zu. „Ich habe hier ein Funktele- gramm für Sie“. Hinderk ging schnell in seine Kammer und begann zu lesen:
„Mien leiwe Mann. Appel! Appel! Appel! Tweej mit Stengel un eine sünder! Dien lüttje Frou“.
„Mein lieber Mann. Apfel! Apfel! Apfel! Zwei mit Stängel und einer ohne! Deine kleine Frau.”
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