Alt - Borkum Der Strand um 1901 Der Strand um 1883 T O P T O P
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Der folgende plattdeutsche Beitrag lässt in lustiger Form Einsichten hinsichtlich des Lebens der Insulaner mit ihren Gästen in den Urlaubszeiten zu!
De Badegasten komen! De Badegasten komen!
De Badegasten komen.
Die Badegäste kommen.
In mien Kindertied was sömmerdags dat heile Vörhuus an Badegasten verhührt. Wi kwammen mitnander up Böhn, over ein lüttje Trappe mit ein hollten Luke. An ein Ende Tou hung ein tien Punds Gewicht. Boven muß man de Kopp intrecken, so leeg, dat man mit de Hals tau't Dackfenster utmuss, wull man ein Hemd over de Kopp strüpen. Under dat Pappdack was dat in de Baadtied glujend heit.
In meiner Kinderzeit war während der Sommer- monate [sommertags] das ganze Vorderhaus an Gäste [Badegäste] vermietet. Wir schliefen zusammen [.. kamen zusammen ..] auf dem Dachboden -,- über eine kleine Treppe mit einer hölzernen Luke. Daran hing an einem Tau ein zehnpfündiges Gewicht [An einem Stück Tau hing .. ]. Man musste den Kopf einziehen [Oben musste man .. ] -,- es war so niedrig, dass man mit dem Hals aus dem Dachfenster heraus musste, wollte man sich ein Hemd über dem Kopf streifen. Unter dem Pappdach war es in der Saison [Badezeit] glühend heiß.
Unse Badegasten wassen meisttied elket Jahr weer de sülwegste Gesichten. In August kwamm alltied ein Familie ut Sauerland, krinten-ketoolsk mit veier Kinder. Dej fiefde kwamm d'r noch bi, daar hebben seej seggt, dat was ein Börkumer Kind.
Unsere Gäste kamen oft jedes Jahr wieder [Unsere Badegäste waren die meiste Zeit jedes Jahr wieder dieselben Gesichter]. Im August kam regelmäßig eine Familie aus dem Sauerland, erzkatholisch mit vier Kindern. Das Fünfte kam noch hinzu und es wurde gesagt [.., da haben sie gesagt, ..], es wäre ein Borkumer Kind.
Ik kreeg dat neit in de Verstand, dej Lüttje was doch neit up't Eilandje geboren. Kwamm daar de Proot over, fungen mien Lü an't smüsterlachen. Satt ik daarnast, see Oma: "Pst, stille, Kind sitt d'r bi".
Ich kapierte das nicht [Ich kriegte das nicht in den Verstand, ..], das Kleine war doch nicht auf der Insel geboren. Wenn darüber gesprochen wurde, schmunzelten meine Leute [Kam da das Gespräch drüber, fingen meine Leute an zu schmunzeln.]. Saß ich daneben, sagte Oma: “Pst, ruhig, das Kind sitzt zwischen uns [ .., Kind sitzt dabei].”
In Julimaand kwamm ut Hannover Familie P. Heej was Mester an de Gewerbeskaule. Dat wassen leive Lü, heej un seej un de Dochder. De Mauder was ein bitje klunterg, dej wammste um de Middagstied, as Oma evkes up Ohr lagg, allemachdeg mit de Kökenskapplaa. Oma ziesde.
Im Juli [Julimonat] kam aus Hannover Familie P. Er war Lehrer an der Berufsschule. Es waren liebe Leute, er und sie und die Tochter. Die Mutter war ein bisschen ungeschickt, sie knallte um die Mittagszeit, wenn Oma sich ein wenig ausruhte [.., wenn Oma eben auf dem Ohr lag, ..], mit der Schublade des Küchenschrankes [.., mächtig mit der Küchenschublade.]. Oma war stinksauer [ziesen: sehr böses Zischen].
All dej Jahren was dat best up Stee. Daar kwamm, dat neeje Jahr was nettekraat ein paar Dage old, ein Breif ut Hannover. De Dochder van P.s harr sück under de Wiehnachtsboom verloovt, uk mit ein Mester, sien Name was Fröhlich un heej wull nu mit na Börkum. Off dat wall angahn kunn? Na dann fröhliche Weihnachten, see Oma un fung an't siemeleiern: Dej beide ollde P.s packen wi boven in de Noordkamer, de Dochder kummt up ander Siet in de Südkamer und de Brügumm in't Underhuus in de olderlike Slaapkamer, daar hett man hum gaut in't Oog. So geiht dat un neit anders, see Oma, stiev reformeierd.
In den ganzen Jahren war alles bestens in Ordnung. Da kam, das neue Jahr war gerade ein paar Tage alt, ein Brief aus Hannover. Die Tochter von P. s hatte sich unter dem Weihnachtsbaum verlobt, auch mit einem Lehrer, sein Name war Fröhlich und er wollte auch mit nach Borkum. Geht das? [Ob das wohl möglich war?] Na, dann fröhliche Weihnachten, sagte Oma und überlegte [.. fing an zu überlegten:]: Die beiden alten P. s packen wir oben in das Nordzimmer, die Tochter kommt auf der anderen Seite in das Südzimmer und der Bräutigam im unteren Haus in das elterliche Schlafzimmer, dort hat man ihn unter Kontrolle [.. gut im Auge.]. So soll es sein [So geht das und nicht anders], sagte Oma, streng reformiert.
T'warde Sömmer, Julimaand, heemels Weer. P.s wassen d'r uk mit de Brügumm, ein lange Slentert van Fent, man heil leiv. Was alles in de Riege, heej makde gein Merakels.
Es wurde Sommer, Monat Juli, himmlisches Wetter. P.s waren auch da mit dem Bräutigam, ein langer Lulatsch [.., eine aufgeschossene Person (Slentert) von Junge (Fent), ..], aber sehr nett. Es war alles bestens in Ordnung, er machte keinen Lärm und keine Umstände.
Dagsover wassen seej meisttied up Strand, dann was dat moij freelek in Huus, uk under de Middagstied. Man nett um disse Tied kwamm ein paar Dage later ein dicke Gewitterböij dranbrusen. Oma flutterde upgedreit um't Huus tau. Wall harrn de Badegasten hör Fensters bit tau de Hängen open smeeten. Oma in Hundjedrafft mit hör kaarte Beintjes de Trappen umhoog, erst na de Noordkamer, de Fensters dicht rieten, dann na de Südsiet brusen, Dör open skören, sünder tau kloppen, Fensters dicht, dreiht sück um ... well liggt daar under Deck, mit nix an un keeken hör an mit Ogen as Rohmsköttels: dej Fent van Fröhlich mit dat Madamke van P.s!
Tagsüber waren sie meistens am Strand, dann war es schön friedlich im Haus, auch während der Mittagszeit. Aber gerade um diese Zeit brauste ein paar Tage später eine schwere Gewitterbö heran. Oma flatterte aufgeregt um das Haus. Natürlich hatten die Gäste ihre Fenster weit aufgerissen [.. bis zu den Scharnieren aufgeschmissen.]. Oma in schnellen Schritten [im Hundetrab] mit ihren kurzen Beinen die Treppe hoch, zuerst in das Nordzimmer, die Fenster zugeworfen, dann zur Südseite gebraust, Tür aufgerissen ohne anzuklopfen, Fenster zu, dreht sich um … wer liegt da im Bett, vollkommen ausgezogen und guckten mit Augen, so groß wie Sahnekummen: dieser Bursche von Fröhlich mit dem Frauenzimmer von P.s!
Oma bleev de Lücht in't Halsgatt sitten. Buten Verstand kwamm seej weer na beneden. In de Sömmerköken in't Achterhuus kwamm seej weer bi un skull un skull. Dej Swienebaul, un dat in hör Huus, noch neit trout un nu dit un dann noch um de Teetied. Nee, dat is tauvöl, drut mit dat Volk, dej komen mi neit weer over de Drüppel.
Oma blieb die Luft weg [.. Luft im Halsloch stecken.]. Ohne klaren Verstand kam sie wieder nach unten. In der Sommerküche im hinteren Teil des Hauses kam sie wieder zu sich und schimpfte und schimpfte. Diese Schweinerei, und das in ihrem Haus, noch nicht verheiratet und jetzt das und dann noch während der Teezeit. Nee, das ist zu viel, raus mit den Leuten, die kommen mir nicht wieder über die Türschwelle.
Daar hörde wat tau, Oma tau bessüssen. P.s kwammen ander Jahr weer, man de Grapp was droff.
Es war nicht einfach [Da gehörte was zu, ..] Oma zu beschwichtigen. P.s kamen im folgenden Jahr wieder, aber der Glanz war verloren.
Jan Schneeberg
Hinweis: Da auch die plattdeutsche Sprache - wie grundsätzlich jede Sprache - oft erst sinnentnehmend erschließbar wird, wurden zum besseren Verständ- nis der Sprachbildung an speziellen Stellen eine fast wörtliche Übersetzung von Teilsätzen und Begriffen innerhalb runder Klammern ( .. ) aufgezeigt.
Sprachausgabe des plattdeutschen Textes!
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