Waar sall ik hen?
Wo soll ich hin?
Seej was ein nümeg Wicht un noch freewat lüttjet.
Man seej harr Ogen un Ohren. De Müren van de
Wohnung wassen neit heil dick. S’avends, as seej in
hör Bettje lagg, hörde seej dat Strieden. Enkelde
Woorden kunn seej neit verstahn. Man Vader bölkde.
Mauder blarrde. Seej kroop under de Deken un truck
hum bit over de Kopp. Seej namm hör Puppke heil
fast in de Arm. Hör lüttje Hartje puckerde. Na ein
Sett was dat tau warm un seej kwamm mit de Kopp
weer vandag. Tegenan hört seej Mauder tau
snuckern. Papa ballerde de Dör achter sück tau un
gung tau’t Huus ut. So was dat all siet Dagen. Off
noch langer her?
Sie war ein niedliches Mädchen und noch sehr klein.
Aber sie hatte Augen und Ohren. Die Mauern von
der Wohnung waren nicht sehr dick. Am Abend,
wenn sie in ihrem Bettchen lag, hörte sie das
Streiten. Einzelne Worte konnte sie nicht verstehen.
Aber Vater brüllte. Mutter weinte laut. Sie kroch
unter die Decke und zog sie bis über den Kopf. Sie
nahm ihr Püppchen ganz fest in den Arm. Ihr
kleines Herz pochte. Nach einer Zeit war das zu
warm und sie kam mit dem Kopf wieder hervor.
Nebenan hörte sie Mutter (zu) schluchzen. Papa
ballerte die Tür hinter sich zu und ging aus dem
Haus raus. So war das schon seit Tagen. Oder noch
länger her?
Ander Mörgen sitten seej as alltied bi de Tavel tau
frühstücken. Vör dat Wichtje steiht ein Koppke mit
Puderzuckerlaa un ein lecker Stutje. Vader un
Mauder kieken sück neit an. Un seggen gein Woord.
Seej kieken uk hör Kind neit an. De Ogen van dat
Wicht gahn hen un her. Miteins hout seej tegen hör
Koppke. Dej fallt um un rullt van de Tavel. Mauder
verfehrt sück un seggt: „Kind, wat makst du?“
Am nächsten Morgen sitzen sie wie immer am Tisch
zu frühstücken. Vor dem Mädchen steht eine Tasse
mit Kakao und ein leckeres Brötchen. Vater und
Mutter gucken sich nicht an. Und sagen kein Wort.
Sie gucken auch ihr Kind nicht an. Die Augen von
dem Mädchen gehen hin und her. Plötzlich haut sie
gegen die Tasse. Die fällt um und rollt von dem
Tisch. Mutter erschrickt sich und sagt: „Kind, was
machst du?“
Vader bölkt:“ Pass doch beter up! Is doch gein
Benehmen!“
Mauder hett miteins ein rode Kopp un futert:“ Laat
dat Kind in Ruhe! Hett dien Wiev di weer argert?
Geiht hör wall neit gau genug!“
Vater brüllt: „Pass doch besser auf! Ist doch kein
Benehmen!“
Mutter hat plötzlich einen roten Kopf und schimpft:
„Lass das Kind in Ruhe! Hat dein Weib dich wieder
geärgert? Geht ihr wohl nicht schnell genug!“
Dat lüttje Wichtje kennt de frömde Frou. Off dat
Wiev, as Mauder seggt. Seej hett hör Vader mit de
ander Frou seihn, Arm in Arm. Nu haalt Mauder hör
an:“ Koom bi mi, mien lüttje Tüüt!“ Man hör Handen
trillen un dat lüttje Wicht hett weer so’n Kribbeln in
de Buuk.
Das kleine Mädchen kennt die fremde Frau. Oder
das Weib, wie Mutter sagt. Sie hat ihren Vater mit
der anderen Frau gesehen, Arm in Arm. Nun holt
Mutter sie zu sich: „Komm zu mir, meine Kleine.“
(Tüüt ist eine zärtliche Bezeichnung für Kleinkinder) Aber ihre
Hände zittern und das kleine Mädchen hat wieder so
ein Kribbeln im Bauch.
Vader ritt hör weg van sien Frou, striekelt dat Kind
over de Kopp un seggt:“ Du bist alltied mien seut
Wicht!“ Man sien Ogen bin hart as Iesder un kieken
up sien Frou.
Vater reißt sie weg von seiner Frau, streichelt das
Kind über den Kopf und sagt: „ Du bist immer mein
süßes Mädchen!“ Aber seine Augen sind hart wie
Eisen und gucken auf seine Frau.
Mauder un Vader bin utnandergahn. Papa will de
ander Frou trouen. Seej hebben sück düchdeg
streden um hör Wicht. Un hör uk fragt, waar seej
leiver hen wull, na Vader off Mauder. Daar was seej
doodstill. Hör Hart hett giert: na jau beiden! Man
seggt hett seej: na Mauder. Daar is noch de Oma.
Daar is Leivde. Daar is Warmte. Daar is seej
boorgen.
Mutter und Vater sind auseinander gegangen. Papa
will die andere Frau heiraten. Sie haben sich tüchtig
gestritten um ihr Mädchen. Und sie auch gefragt,
wo sie lieber hin wollte, zum Vater oder Mutter. Da
war sie totenstill. Ihr Herz hat geschrien: zu euch
beiden! Aber gesagt hat sie: zur Mutter. Dort ist
noch die Oma. Dort ist Liebe. Dort ist Wärme. Dort
ist sie geborgen.
Dann is Vader uttrucken. Un hett verskeiden Möbels
mitnoomen. Mauder kritt völ. De Mester in de Skaule
hett skullen. Dat Wicht mutt beter uppassen. Mauder
will sück Wark seuken. Um neeje Möbels tau kopen..
Dann is seej faak tau’t Huus ut. Man Oma is noch da.
Nu is weer Freede in de Wohnung. Alle veier Weeke
sall dat Wicht na hör Vader. Dat hett man so
beproot, as de beiden skett bin. Un na de frömde
Frou.
Dann ist Vater ausgezogen. Und hat verschiedene
Möbel mitgenommen. Mutter weint (laut wehklagen)
viel. Der Lehrer in der Schule hat geschimpft. Das
Mädchen muss besser aufpassen. Mutter will sich
Arbeit suchen. Um neue Möbel zu kaufen. Dann ist
sie oft aus dem Haus. Aber Oma ist noch da. Nun ist
wieder Frieden in der Wohnung. Alle vier Wochen
soll das Mädchen zu ihrem Vater. Das hat man so
besprochen, als die beiden geschieden wurden. Und
zu der fremden Frau.
Dat lüttje Wicht hett under hör Koppküssen ein Bild
liggen. Ein Bild van hör Vader. Dat nimmt seej elke
Avend in de Hand. Un seggt: „Warum hest du uns
verlaten?“
Das kleine Mädchen hat unter ihrem Kopfkissen ein
Bild liegen. Ein Bild von ihrem Vater. Das nimmt sie
jeden Abend in die Hand. Und sagt:“ Warum hast du
uns verlassen?“