Abschrift - auszugsweise – eines Reiseaufsatzes
aus dem Jahre 1872.

          Dieser informative Aufsatz enthält auch einen Spendenaufruf zugunsten der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger

           

           

          Die Scheunenthür auf Rottum.

          Da wäre nun für diejenigen der werthen Leser, die sich  vor einigen gesalzenen Wellen und einem bischen Seekrankheit nicht fürchten, eine Segelpartie zu einer benachbarten holländischen Insel, Rottum, sehr zu empfehlen, denn dieses kleine Eiland ist voll von Sehenswürdigkeiten. Man kann sagen, daß es ein großes Vogelnest ist, denn es scheint, daß alle Seeschwalben , Möven und "Berganten" der ganzen Nordsee sich hier einen Rendezvousplatz , ja eine bleibende Heimath gesucht haben. Die ganze Luft ist erfüllt von ihrem Geschrei, und wenn sie sich so erheben, sind Sie oft gegen den blauen Himmel wie eine blendende Wolke anzusehen; denn ihr Gefieder ist weiß, wie der Schnee und leuchtend wie Silber. ES gibt Stellen auf der Infel, wo man seine Augen ordentlich aufthun und feine Füße zierlich fetzen muß, sonst tritt man die Eier und jungen Vögelein zu Schanden. - Aber dies ist eine Sehenswürdigkeit, davon schon Andere geschrieben haben, und die auch jedermann, der hinkommt, von selbst sehen kann. Wir aber wollen von den Sehenswürdigkeiten erzählen, die Niemand sieht oder doch nicht dafür ansieht. Und da ist z. B. der Vogt der Insel für mich eine große Sehenswürdigkeit gewesen. Er ist zwar kein König ohne Land, aber ohne Leute, denn er und seine Familie wohnen ganz allein auf der Insel; sonst hat er keine Unterthanen, ausgenommen die Vögel, große und kleine, die aber in ihm auch einen rechten König. Vater und Schirmherrn haben. Man kann hier einigermaßen lernen, wie der liebe Gott es von allem Anfang her gemeint hatte, daß der Mensch Herrscher sein soll über die Thiere, nämlich seinen Nutzen von ihnen haben und doch zugleich ihr Vater und Beschützer sein.

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Jeder nun, der in dieses unseres Robinsons und Vogelvaters Wohnung und Gehöfte herumstöbert und hat zwei gute Augen, kann der Sehenswürdigkeiten noch viele finden, an denen aber wiederum mehr zu denken, wie zu sehen ist. So über der Scheunenthür. Bei uns zu Lande nageln die Bauern wohl eine Eule über die Scheunenthür, d. h. wenn sie sie erst gefangen haben. So eine Eule aber gibt wenig zu denken, denn es ist eine Eule; und man sagt in meiner rheinischen Heimath (im dunkeln Sprüchwort tiefen Sinn verbergend): „Der Bauer glotzt die Eule an und die Eule glotzt den Bauer an und dann fangen sie wieder von vorne an.“ Was aber über der Scheunenthür des Vogelvaters in Rottum zu Sehen ist, ist keine todte Eule oder Möve, denn er tödtet keine Vögel, sondern füttert sie lieber und bekommt dafür einen Theil ihrer unzähligen großen, fetten Eier. Nein, da sieht man einfache hölzerne Schilde oder Bretter von zirka fünf Fuß Länge und zwei Fuß Breite. Auf jedem derselben ist ein Name gemalt mit rother oder gelber oder blauer Farbe, bald mit mehr, bald mit weniger Schnörkeln und Verzierungen, - da sind Namen wie Vesta, Neptun, Schwan, Minerva, Marianne und allerlei.

Solche Schilde sind da wohl zehn oder mehr angeschlagen über und neben der Scheunenthür. Man kann gerade nicht sagen, daß das sehr schön aussieht, und Mancher geht da vorüber und schaut nur mit einem Auge hin, und doch ist das etwas sehr Merkwürdiges. Es sind nämlich die Schilde von den Schiffen, die an dem bösen Strande von  Rottum gescheitert sind und davon manchmal nichts wie so ein Schild mit dem Namen gerettet worden ist. Es sind Schiffe aus allen Nationen gewesen, - Schiffe mit braunen, weißen und schwarzen Menschen, Schiffe, die alle Meere durchfurcht hatten, schöne und stolze Schiffe, welche die Produkte und Güter aller Lande von Welttheit zu Welttheil führten, - und nun ist nichts mehr davon vorhanden, wie eine Tafel mit dem - Namen.

Nicht wahr, diese Schilde an der Rottumer Scheune  sind doch wirklich eine Denk= und Sehenswürdigkeit? Wer sich davor stellen wollte und hätte einen Dichterkopf und ein Dichterherz und dächte einmal von den Schilden zu den Schiffen hin und in alle die verzweifelnde Arbeit, Jammer und Todesringen der Seeleute hinein und in die furchtbare Stunde des Schiffbruchs, da das stolze Fahrzeug stückweise von einander gerissen wurde u. s. w. u. s. w., - der könnte vor der Rottumer Scheune eine schöne Tragödie abfassen, darüber vielen Leuten die Thränen in die Augen kämen. Wer aber kein Tragödienschreiber ist, der möge doch bei dieser Gelegenheit sich entschließen, sein Markstück oder sein Zwanzigmarkstück an die „Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger“ zu opfern.

Doch wir kehren, nachdem wir gemüthlich bei dem Vogt gespeist haben (und zwar rohen Schinken mit Pellkartoffeln und Reis oder Pfannkuchen, denn über dieses Menu hinaus wird nichts fabricirt -), von dem lieben Rottum nach unserm borkümmerlichen Borkum zurück, wo wir doch nun einmal domicilirt sind, und forschen da weiter nach den Sehenswürdigkeiten.

 

Die Scheunenthür auf Rottum

Die Scheunenthür auf Rottum

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Die Scheunenthür auf Rottum

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