Alt - Borkum Der Strand um 1901 Der Strand um 1883 T O P T O P
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Im folgenden plattdeutsche Beitrag finden Sie auch das schöne niederländische Gedicht “Altjahrsabend”.
Tante Geertjes sinnliche Gedanken am Silvesterabend Tante Geertjes sinnliche Gedanken am Silvesterabend
Uuren, dagen, maanden, jaren Olljahrsavend
Stunde, Tage, Monate, Jahre Altjahrsabend
Geertjemöike satt prüß in de Bögelstaule, mit den Hannen in't Skoot. Moij, so tau siemeleiern in Tweejdüstern, de Tied tüsken Dag un Nacht. T'was Olljahrsavend, dat olde Jahr lagg in't Starven un vör de Dör stunn as ein Kleinje dat neeje Jahr. Harr d'r ein gaude Bößskupp för de koomende Tied? Gein Menske kunn dat vörutseihn.
Tante Geertje saß selbstbewusst (stolz) im Lehnstuhl, mit den Händen im Schoß. Schön, so nachzudenken im Halbdunkeln, die Zeit zwischen Tag und Nacht. Es war Altjahrsabend, das alte Jahr lag im Sterben und vor der Tür stand wie ein Kleinkind das neue Jahr. Hatte es eine gute Botschaft für die kommende Zeit? Kein Mensch kann das voraus sehen.
Geertjemöike follde hör Hannen, waar ein Leven in skreven stunn. Disse Fingers, dej wurakt un knaujet harrn, man vandage gein Preime mehr hollen kunnen: breien, stoppen, neihen, all vörbi. „Ik bin d'r over“, see seej fakers. „Mußt neit jöseln, Geertje“, skull seej dann mit sück sülvst. „Du hest dat doch gaud! Kinder un Kindskinder bin um di tau, seej denken un sörgen alltied um di.“
Tante Geertje faltete ihre Hände, in denen ein Leben geschrieben stand. Diese Finger, die geschuftet und (schwer) gearbeitet hatten, aber heute keine Stricknadel mehr halten konnten: stricken, stopfen, nähen, alles vorbei. „Ich bin überflüssig (zu nichts nutze)“, sagte sie oft. „Musst nicht jammern, Geertje“, schimpfte sie dann mit sich selber. „Du hast es doch gut! Kinder und Enkelkinder sind um dich herum, sie denken (an dich) und sorgen sich immer um dich“.
Man vandage satt seej alleneg in hör lüttje Kamerke. Dat Jungvolk was tau't Huus ut flogen, gein Geluud was mehr tau hören. Wat ein Drockde de heile Dag. Nu wassen seej all mitnander up Pad, van ein Fesche na de ander. Laat de Jöögd doch hör Pläseier, dat fieren hebben wi achter uns.
Aber heute saß sie allein in ihrer kleinen Kammer. Die jungen Leute (junges Volk) waren aus dem Haus geflogen, kein Laut war mehr zu hören. Welche Unruhe (Geschäftigkeit) den ganzen Tag. Nun waren sie alle miteinander unterwegs (auf dem Pfad), von einem Fest zum anderen. Lass doch der Jugend ihr Vergnügen, das feiern haben wir hinter uns.
De Klocke van de Karke mit de deipe Klang reip na de Olljahrsavendpreek, man Geertjemöike kunn d'r neit mehr hen. Dat was spietlek, man de Beinen wulln neit mehr so as frauger. In de Stillte harr seej Woorden för ein still Gebedd. De Heer sull um alle Mensken denken, in de Benaate un Feernte, dat seej all mitnander hör Gerack kriegen un gein Krök lieden mutten. He sull dat Eiland verskonen van Unweer un Störm un um dej Lü denken, dej dat Seggen harrn un an't regeiern wassen, umdat seej verstandeg blieven un Freede holden.
Die Glocke von der Kirche mit dem tiefen Klang rief zum Altjahrsabendgottesdienst, aber Tante Geertje konnte da nicht mehr hin. Das war bedauerlich, aber die Beine wollten nicht mehr so wie früher. In der Stille fand (hatte) sie Worte für ein stilles Gebet. Der Herr sollte um alle Menschen denken, in der Nähe und in der Ferne, dass sie alle zusammen versorgt waren (ihre Versorgung bekamen) und keinen Hunger leiden mussten. Er sollte das Eiland verschonen vor Unwetter und Sturm und an die Leute denken, die das Sagen hatten und regierten, damit sie verständig blieben und Frieden hielten.
Geertjemöike fung an't nüüntjen un sung dann sachte mit trillende Stemme dat olde Karkenleid, dat Vader un Mauder hör bibrocht harrn:
Tante Geertje fing an zu summen und sang dann leise mit zitternder Stimme das alte Kirchenlied, das Vater und Mutter ihr beigebracht hatten:
~*~*~*~*~*~*~*~*~*~ Stünnen, Dagen, Maanden, Jahren weihen as de Wind dör't Land. Wat sück vör de Dood will wahren, hett up Eerden gein Bestand. Up de Padd, dej wi betreden, is gein Fautstapp, dej besteiht. Nix is, wenn wi overleden, wat in't Güntsied mit uns geiht.
~*~*~*~*~*~*~*~*~*~ Stunden, Tage, Monate, Jahre wehen wie der Wind durch's Land. Was sich vor dem Tod will wahren, hat auf Erden keinen Bestand. Auf dem Pfad, den wir betreten, ist kein Fußstapfen, der besteht. Nichts ist, wenn wir sterben, was ins Jenseits mit uns geht.
~*~*~*~*~*~*~*~*~*~ Loopt, ji Jahren van mien Leven mit jau Bliedskup un Verdreit. Loopt – waar is jau Spoor wall bleven? Gott, mien Gott verannert neit! Wenn mien Oogen eins sück sluten, dann föhrt mi mien Vaders Hand ut dit Leven sacht na boven in mien eiweg Vaderland!
~*~*~*~*~*~*~*~*~*~ Lauft, ihr Jahre von meinem Leben mit der Fröhlichkeit und Verdruss. Lauft – wo ist eure Spur geblieben? Gott, mein Gott verändert nichts! Wenn meine Augen sich einst schließen, dann führt mich meines Vaters Hand aus diesem Leben leise nach oben in mein ewiges Vaterland!
Un hör Grootje harr dat uk noch up hollands sungen:
Und ihre Großmutter hatte das auch noch auf holländisch gesungen:
~*~*~*~*~*~*~*~*~*~ Uuren, dagen, maanden, jaren, vliegen als een schaduw heen! Ach, wij vinden waar wi staren, niets bestendigs hier beneèn! Op de weg die wij betreden, staat geen voetstap die beklijft; Al het heden wordt verleden, schoon't ons toegerekend blijft. *
~*~*~*~*~*~*~*~*~*~ Stunden, Tage, Monate, Jahre, fliegen wie ein Schatten.(# Ah, wir finden, wo wir starren, nichts Dauerhaftes hier unten.(# Auf der Straße, die wir betreten, es gibt keinen Schritt, der hält.(# Alle Gegenwart wird Vergangenheit, obwohl es uns zugerechnet bleibt.(# (# google-Übersetzung)
Jau all mitnander ein gaude Overgang in ein freelek neej Jahr
Euch allen einen guten Übergang in ein friedliches neues Jahr
_________________________ * Rhijnvis Feith, döpt an de 7. Februar 1753 in Zwolle un hier uk overleden an de 8. Februar 1824, was ein neederlandse Schriever mit Gedichten, Theaterstückjes un verskeiden Kantaten. Eine van sien moiste Gedichten is sien Olljahrsavendleid.
_________________________ * Rhijnvis Feith, getauft am 7. Februar 1753 in Zwolle und hier auch gestorben am 8. Febr. 1824, war ein niederländischer Schreiber mit Gedichten, Theaterstücken und verschiedenen Kantaten. Eines seiner schönsten Gedichte ist sein Altjahrsabendlied
(Musik is van Heinrich Albert. Ut de Liedjekist van 1906: Kun je nog zingen, zing dan mee).
Jan Schneeberg
Hinweis: Da auch die plattdeutsche Sprache - wie grundsätzlich jede Sprache - oft erst sinnentnehmend erschließbar wird, wurden zum besseren Verständ- nis der Sprachbildung an speziellen Stellen eine fast wörtliche Übersetzung von Teilsätzen und Begriffen innerhalb runder Klammern ( .. ) aufgezeigt.
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