Abschrift - auszugsweise – aus:

 

DIE DEUTSCHEN Nordseebäder
, Kurzer Leitfaden

Herausgegeben vom Verbande Deutscher Nordseebäder
 
IV Auflage, F. A. Brockhaus, Leipzig, 1902

 

 

 

Abschnitt Borkum; Seite 12 bis 19


Borkum

 

Von all den Inseln, die der deutschen Nordseeküste vorgelagert sind, ist Borkum die westlichste, von den ostfriesischen ist sie die grösste. Frei umspült von der Nordsee hat sie eine solche Entfernung vom Festland, dass nur bei allerklarstem Wetter ein schwacher Schimmer der Küste zu erkennen ist. Dieser Lage entsprechend hat ihr Klima den den Nordseebädern eigenen ozeanischen Charakter in hervorragendem Masse, und die Luft ist rein und frei von Staub und gesundheitschädlichen Stoffen des Festlandes. Das Wasser hat den Salzgehalt der offenen Nordsee, 3 1/2 Prozent. Die annähernd kreisrunde Insel hat eine Grosse von 25 Quadratkilometern, sie besitzt einen breiten, weithin sich erstreckenden Strand, ausgedehnte Dünenlandschaften und grosse Wiesen- und Weideflächen. Auf dem feinsandigen, festen Boden des Strandes, der das Wandern in der köstlichen Luft zu einem unvergleichlichen Genuss macht, kann man stundenlange Wege machen, sei es am Nordstrand, wo man das brandende Meer zur Seite hat, oder am ruhigeren Südstrand, wo Luft- und Wasserbewegung wesentlich abgeschwächt sind. Die Badeeinrichtungen liegen am Weststrand, Damen- und Herrenbadestrand sind getrennt. Der Damenbadestrand liegt südlicher, wo das Wasser ruhiger ist, der Herrenbadestrand im Nordwesten, wo die volle See ungeschwächt hereinbricht [und jenen kräftigen Wellenschlag erzeugt, der das offene Seebad so wirksam macht. Zwischen diesen beiden Badegebieten, die einmal am Tage bei steigendem Wasser benützt werden, liegt der 1500 Schritt lange neutrale Strand. Hier spielt sich das eigentliche Badeleben ab. In einer luftigen Zeltstadt, über der die bunten Wimpeln lustig im Winde flattern, giebt sich Alt und Jung dem Genuss der erfrischenden und die Kräfte neu belebenden Seeluft hin. Die erwachsene Jugend spielt hier Tennis und Croquet, die Kinder bauen aus dem feuchten Seesand Burgen, die den anrollenden Wogen alsbald wieder zum Opfer fallen. An den zum Schutz des Strandes weit ins Meer hinausgebauten Buhnen sind Studien über das Tier- und Pflanzenleben des Meeres zu machen; an ihren Köpfen brechen sich die Wellen und durchfeuchten mit ihrem salzigen Gischt die Luft. Von der Höhe der Strandmauer schweift der Blick über das Meer, dessen Fläche bei ruhigem Wetter von Lustfahrern belebt ist, und auf dessen Höhe die grossen Dampfer und Segler ihre Strasse ziehen. Seitab vom Strande dehnen sich weite Dünenlandschaften aus. Nach dem Strande hin sind die Dünen meist kahl und unwirtlich, im Innern aber sind sie mit einer üppigen Vegetation bedeckt, und Seedorn, Kriechweide und Brombeeren bilden ein so dichtes Gestrüpp, dass es ganz unmöglich ist, ausserhalb der seit langem ausgetretenen Pfade hindurchzukommen. Im Grunde dieser Dünenthäler gedeiht eine reiche Flora; berühmt ist in der Hinsicht die „Kievietsdelle" und die „Waterdelle". Zur Zeit der Sommerblüte entfaltet sich hier eine üppige Pflanzenwelt, deren Reiz sich dem der alpinen Bergesmatten, wenn auch nicht in der üppigen Farbenpracht, so doch in der Eigenart der Formen wohl an die Seite stellen lässt. Diesem auffälligen Charakterzug seiner Dünen verdankt Borkum die Bezeichnung „die grüne Insel", die sie allerdings mehr noch verdient wegen der frischen Wiesen, die im Schutz der Dünen liegen, und der saftigen Weiden, die die ganze Südseite der Insel einnehmen. Wer darum Strand und Dünen einmal meiden will, den laden Wiesen und Weiden zur Erholung ein. Hier liegen inmitten des Wiesengrüns beliebte Ausflugsorte, die besonders als Kaffee- und Milchwirtschaften geschätzt sind. Man hat von dort einen reizenden Blick auf das malerisch gruppierte Dorf mit seinen leuchtend roten Dächern. Zu grösseren Ausflügen ladet das Ostland ein, das fernab vom Getriebe des Badelebens in friedlicher Einsamkeit einem idyllischen Landleben gewidmet ist. Der Besucher ist erstaunt, in unmittelbarer Nähe des Meeres wogende Kornfelder zu finden, die zu den sandigen Dünen und dem hellfarbigen Strand einen eigentümlichen Gegensatz bilden. Das Idyllische des Ostlandes wird vervollständigt durch die Vogelkolonie, ein Dünenterrain, wo unzählige Scharen von Seevögeln, hauptsächlich Silbermöven, Seeschwalben, Brandenten und Austernfischer, beim Brüten geschont werden und dadurch von Jahr zu Jahr in immer grösserer Zahl sich ansiedeln, sodass die Scenerie dieses östlichsten Teiles der Insel lebhaft an die Schilderungen von den nordischen Vogelbergen erinnert.

 

Während der alte ursprüngliche Teil des Dorfes Borkum an der Wiese liegt, hat sich die weitere Ausdehnung nach dem Strande hin vollzogen. Wie stolze Paläste liegen Hotels und Pensionshäuser auf dem hohen Dünenrand, dessen nach dem Meere hin sich erstreckende Fläche gepflastert und im Zusammenhang mit den Hotel-Veranden zu einer grossartigen Meeresterrasse — der Kaiserstrasse — ausgebaut ist. Dahin führen, strahlenförmig vom Hauptdorf ausgehend, mehrere ansehnlich breite Strassen, die mit ihren von Solidität zeugenden Häuserfronten und luxuriösen Kaufläden grossstädtischen Charakter aufweisen. Hier und am Strande ist natürlich das bevorzugte Viertel. Nichtsdestoweniger giebt es Badegäste genug, die den friedlichen und zum Teil ländlichen Aufenthalt im alten Dorf, und besonders an der Wiese, vorziehen. Kräftiger Baumwuchs, wie er auf den Nordseeinseln selten ist, und wohlgepflegte Gärten erhöhen den freundlichen Eindruck des alten Inseldorfes, das im übrigen den neuzeitlichen Anforderungen durch Neubauten und bessere Ausstattung der Wohnungen vollauf gerecht geworden ist. Auch was Gemeinde und Badeverwaltung haben thun können, um durch Anlage von Strassen und Sorge für die öffentlichen Gebäude und Plätze die Wohnlichkeit und das einladende Äussere des Ortes zu erhöhen, ist geschehen. Seit einigen Jahren schon ist die allgemeine Gasbeleuchtung eingeführt. Verschiedene Hotels haben eigenen elektrischen Betrieb. In sanitärer Hinsicht sorgt die Kanalisation, an die alle Häuser angeschlossen sind, für eine rasche und ausgiebige Entführung aller Schmutz- und Spülwasser und der Abfallstoffe. Gutes Trinkwasser wird von der mit Sorgfalt angelegten und geleiteten Wasserleitung geliefert, deren Pumpwerk und Wasserturm sich ausserhalb des Ortes in den Norddünen befindet. In der grossartig ausgestatteten Warmbadeanstalt werden jetzt ausser Seewasserbädern und -Douchen auch Süsswasserbäder verabreicht. Im Jahre 1901 wurde eine geräumigere öffentliche Lesehalle mit mehreren Sälen im Gebäude der Warmbadeanstalt neu erbaut.

 

Eine besondere Zierde der Insel ist der 200 fuss hohe Leuchtturm, der, inmitten des Orts gelegen, des Abends seinen blinkenden Schein weit über Insel und Wasser wirft. Der etwas kleinere, neue eiserne Leuchtturm mit elektrischem Betrieb, kurzweg der „elektrische Leuchtturm" genannt, hat den Zweck, zur Nachtzeit die Einfahrt in die Ems zu ermöglichen. Von hier aus ist eine Verbindung vermittelst der Marconischen drahtlosen Telegraphie hergestellt nach dem etwa 35 km weit in See liegenden Feuerschiff „Borkum-riff". Auch der alte Leuchtturm, der vor mehr als 300 Jahren erbaut wurde, ist in seinem ehrwürdigen, soliden Charakter noch immer ein Schmuck der Insel. Wie in ihm, so offenbart sich auch noch in manchen anderen Erinnerungen die alte Geschichte der Insel. Die Römer nannten sie Burchana. Auf seinen Eroberungszügen gegen die Germanen kam Drusus auch in das Gebiet der unteren Ems und besetzte Borkum. Jahrhundertelang hat dann die Insel ein ziemlich vergessenes Dasein geführt, und es muss ein einförmiges Leben gewesen sein, das sich hier, nur wechselnd zwischen Viehzucht und Ackerbau, Fischfang und Schiffahrt, abgespielt hat.

 

Eine Glanzperiode brachte das achtzehnte Jahrhundert, als viele Insulaner teils als Kommandeure, teils als Schiffsleute auf den gewinnbringenden Walfischfang ausführen. Als stumme Zeugen dieser Zeit sieht man heute noch Walfischknochen an mancherlei Stellen des Ortes, wo sie als Einfriedigung von Gärten und Gehöften dienen. Heute ist. Borkum ein ansehnlicher Ort mit 2115 Einwohnern, hat Ärzte und Apotheke, Post, Telegraph und Telephonanschluss nach dem Festland, drei Kirchen, eine evangelische, lutherische und katholische, ferner eine Inselbahn und vielerlei Dampfschiffsverbindung mit dem Festlande, selbst im Winter tagtäglich. Es bietet ausreichende Unterkunft für seine Gäste und ist dem aussergewöhnlich gesteigerten Verkehr der letzten Jahre in vollem Umfange gerecht geworden. Die Besuchsziffer war 1896: 12945, fünf Jahre später, im Jahre 1901: 16640. Borkum hat in seiner Entwicklung mit allen bedeutenderen Seebädern gleichen Schritt gehalten und darf, gestützt auf das Urteil derjenigen Ärzte, die — 256 an der Zahl — im Spätsommer 1901 im Anschluss an die „Ärztliche Studienreise" in die Nordseebäder eine Sonderfahrt nach Borkum unternahmen, wohl den Anspruch erheben, alle Wünsche und Forderungen, die man an eine Kur- und Erholungsstätte stellt, in ausreichendem Masse erfüllt zu haben.

 

Ausführliche Prospekte, worin die Preise der Bäder, Wohnungen, Kurtaxe etc. enthalten sind, werden gratis versandt durch die Bade-Direktion.

 

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