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Die Geschichte des Nordseebades Borkum

von  1800   bis in die 1920er Jahre

Die Geschichte des Nordseebades Borkum

von  1800   bis in die 1920er Jahre

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Schon von 1800 an, zu dieser Zeit begann man mit der Einrichtung der ersten Seebäder an der Nordsee, wurde Borkum als Seebadeort - allerdings fast ausschließlich nur von Emder Familien - zum alljährlichen Sommeraufenthalt aufgesucht. Gasthöfe und Pensionen im eigentlichen Sinne gab es zu der Zeit noch nicht. Die Insulaner selbst kümmerten sich kaum um die Fremden.

 

 

Borkum_Suss_1864

Zeichnung von Gustav Süs - 1864

 

Die wenigen Häuser, die sich den Gästen öffneten, dienten nur als notdürftige Unterkunft. So waren die Urlauber gezwungen, neben Lebensmittel und Geschirr beispielsweise auch ihre eigenen Betten mitzubringen. Selbst für ihre Badezelte mussten sie selber sorgen. Die Ansprüche, die man an die Ortsverwaltung stellen konnte, waren ebenfalls sehr gering. Dennoch lag die Gästezahl um 1840 bereits bei 60 bis 80 Personen.

 

 

Borkum_Suss_1864_T1

Zeichnung von Gustav Süs - 1864

 

Der obige Bildausschnitt zeigt in der linken oberen Bildecke den Uhlenkampschen Gasthof, das spätere Dorfhotel.

 

 

Borkum_Suss_1864_T2

Zeichnung von Gustav Süs - 1864

 

Bei dem größeren Gebäude im obigen Bildausschnitt handelt es sich um das spätere Hotel Bakker. Auf der auf dem Dach des Hauses gehissten Fahne ist der Schriftzug Bakker zu sehen.

 

Borkum_1864

Zeichnung um 1864

 

 

 

Abschrift

 

ZUR GESCHICHTE DES BADES.

 

Mit dem Jahre 1850 beginnt die eigentliche Geschichte der Insel Borkum als Kur- und Badeort. Schon lange vor diesem Jahre wurde allerdings Borkum insbesondere von Emder Familien zum alljährlichen Sommeraufenthalt aufgesucht. Um die Zeit etwa, als man überhaupt an der Nordsee, von 1800 an, mit der Einrichtung von Seebädern begann, wird auch schon Borkum als Seebadeorf, wenn auch nur in beschränktem Maße, bekannt. Die Ansprüche, die man an die Ortsverwaltung stellte, waren naturgemäß sehr gering, ja fast Null; man brachte Betten, Lebensmittel, Geschirr mit und sorgte selbst für Badezelte. Gerade in dieser Selbstherrlichkeit wird ein Hauptanreiz des Sommeraufenthalts gelegen haben. Die paar Häuser der Insulaner, die sich für wenige Taler den Fremden öffneten, dienten nur als notdürftige Unterkunft; Gasthöfe gab es nicht. Um 1840 kamen schon 60 bis 80 Gäste, aber die Insulaner kümmerten sich kaum um die fremden Familien; der Mehrzahl wäre es vielleicht am liebsten gewesen, wenn auch diese paar Fremden von der Insel weg geblieben wären. Aber der Ruf des Bades als Heilanstalt begann sich zu begründen. Das geht hervor aus der ersten öffentlichen Ankündigung über das Bad in einem Bericht des Chirurgus Ripking, veröffentlicht in der Ostfriesischen Zeitung vom 10. Mai 1846. Danach hat sich dieser Chirurgus entschlossen, in der Badesaison kränkliche Knaben von 6-12 Jahren und allenfalls noch ältere, an Skrofeln (Anmerkung: Scrofular: Halsdrüsengeschwulst, vorzugsweise bei Kindern, vermutliche Ursache eine Allergie und nicht wie früher angenommen Tuberkulose) und ähnlichen Uebeln Leidende in seiner Wohnung aufzunehmen. Ripking verpflichtet sich, die Kinder in den Wissenschaften zu fördern und in hygienischer Beziehung zu überwachen ― und zwar für den Spottpreis von 3 Talern, obwohl er von den teuren Lebensmitteln redet. Im Jahre 1849 übernahm Landchirurgus Rhode seine Stelle, und was sein Vorgänger begonnen, das hat er tatkräftig fortgeführt. Mit dem Sommer 1850 beginnt seine eigentliche Tätigkeit für das Bad ; von da an erscheinen auch Badelisten, und die Gemeindeverwaltung sorgt für Badeeinrichtungen. In der Ostfriesischen Zeitung vom 16, Juli 1850 veröffentlicht Rohde eine Beschreibung der Insel und Klarlegung der das Seebad betreffenden Verhältnisse. An den 80 Ortshäusern, in holländischem Stil erbaut, chaotisch durcheinander, aber malerisch geordnet, rühmt er zweckmäßige Einrichtung, an den Insulanern wirklich außerordentliche Freundlichkeit und Biederkeit. Imponierend erscheint ihm das zur Zeit der französischen Okkupation entstandene und von den Franzosen hinterlassene Souvenir, eine große bis dato sehr gut erhaltene Schanze (die auch heute noch kenntliche Franzosenschanze auf der Binnenwiese). Badelustige Fremde werden über Greetsiel und Emden mit Segelschiffen befördert, seit 1847 vermittelt auch der Dampfer „Kronprinzessin Marie" die Beförderung, doch nur an einzelnen Tagen des Sommers. Die Insulaner sind stets bereitwillig, Fremde aufzunehmen; jedes Haus kann mindestens zwei Piecen abstehen. Für Kost sorgen die Badegäste durchschnittlich selbst, doch findet man dieselbe auch in Wirtschaften. Betten werden mitgebracht. Die Badeeinrichtungen befinden sich am Weststrande und zwar solche für männliche und weibliche Individuen; nötige Sicherheitsmaßregeln sind getroffen Das Aus- und Ankleiden geschieht in kleinen, von den Badenden selbst zu errichtenden leinenen Zelten, oder in sehr billig zu mietenden hölzernen.

 

Im Bericht des nächsten Jahres gibt Rhode eine Ergänzung zu diesen Ausführungen. Der Sommer 1850 war danach für das Bad wegen der beständig rauhen, naßkalten Witterung sehr ungünstig; immerhin belief sich die Zahl auf etwa 250, ein für das erst im Entstehen begriffene Badeinstitut sehr befriedigendes Resultat. Rohde rühmt besonders den regelmäßigen, starken Wellenschlag, die in allen Dingen und Verhältnissen sich kundgebende Simplizität, die wohltuende Ruhe im Gegensatz zu den politischen Unruhen der letzten Jahre (1848!). Borkum nennt er ein wahrhaft neutrales Ruheplätzchen; hier verschmelzen alle politischen Parteien zu einer einzigen Koalition, welche einstimmig die souveräne Regierung des großen Neptun anerkennt.

 

In den ersten Jahren seines Bestehens wurde das Bad gewöhnlich am längsten Tage (21. Juni) eröffnet. Von den Aufwendungen und Verbesserungen aus dieser Zeit erfahren wir folgendes: Statt der 14tägigen Verbindung mit dem Festlande wird eine 8tägige, abwechselnd nach Emden und Greetsiel eingerichtet. Vom Ort (der damals allein noch um den alten Leuchtturm sich gruppierte) wird ein Weg aus Soden (Rasenstücken) nach dem Weststrand gelegt (das ist der Fußpfad, der später zur Strandstraße ausgebaut wurde). Zur Unterhaltung dieses Weges und zur Bewachung der zum Aus- und Ankleiden errichteten Zelte wurde ein Aufseher angestellt. Das Bad selbst blieb kostenfrei. Badelisten wurden genau aufgestellt und durch die Ostfriesische Zeitung veröffentlicht. Im Jahre 1852 wird mit Unterstützung der Ostfriesischen Landschaft, die eine Beihilfe von 50 Talern gewährte, ein Badezelt am Herrenstrand erbaut. Gastwirt van Dyk legte eine Kegelbahn an und sein Kollege Visser errichtete ein großes Sommerzelt „diensam zu Konversationen, Zweckessen, Tanzpartien“, welches er bald darauf um die Hälfte vergrößerte. Auch Dr. Rohde vergrößerte sein Pensionat; 1854 zeichnet er zum ersten Male als Vertreter der Badekommission. So entwickelten sich ganz langsam und stetig aus den Bedürfnissen heraus die Veranstaltungen der Gemeinde und der Insulaner für den sommerlichen Badeverkehr.

 

Das Jahr 1856 brachte eine bedeutende Verbesserung der Reiseverhältnisse und im Zusammenhang damit einen neuen Aufschwung des Bades. Am 23. Juni gen. Jahres wurde die Hannoversche Westbahn von Rheine nach Emden eröffnet, die Anschluß sowohl von Hannover über Osnabrück, wie auch aus Westfalen und Rheinland hatte, und wie Emden damit aus seiner isolierten Lage heraustrat, so war auch den an der See Heilung Suchenden eine bequeme Reisegelegenheit geschaffen. Das Badepublikum wurde mit der Eröffnung der Westbahn ein anderes; es kamen mehr und mehr auch Nicht -Ostfriesen. „Dütsen", wie sie der Borkumer nannte. Die alte Einfachheit schwand; eine „gewisse Dissension in Bezug auf gesellschaftlichen Verkehr", wie es in den Zeitungsberichten heißt, schien obzuwalten; die „platzgreifende Etikette bietet den älteren Stammgästen nur gène". Der Inselort faßte damals 200 Fremde, darüber hinaus gab es Ueberfüllung (heute finden über 8000 Badegäste auf einmal bequemes Unterkommen!) Am 15. Juli 1856 sind 160 Gäste und 40 Passanten verzeichnet; die Gesamtzahl der Gäste stieg während des Sommers auf 600. Im ganzen wurden 1856 vierzig Schiffsreisen gemacht, 15 durch die beiden ostfriesischen Dampfschiffe und 25 durch 3 Segelschiffe (im Sommer 1909 wie im Vergleich hierzu erwähnt sei, allein von Emden aus annähernd 400 Dampferfahrten! Dazu kommen dann noch die Verbindungen mit Hamburg-Helgoland, Bremerhaven, den Nachbarinseln und mit Holland.) Rohde bedauert, daß im September die regelmäßigen Fahrten aufhören; es muß also auch damals schon die Neigung bestanden haben, die Kurzeit bis in den Herbst hinein auszudehnen, die im weiteren Verlauf dann schließlich zur Winterkur führte. Etwa 500 Personen nahmen 1856 nach Schätzung 12000 Bäder in offener See; der Wellenschlag war am besten am Damenstrand infolge augenblicklicher Formation des Strandes.

 

Das Jahr 1857 brachte den Besuch des Königs Georg V. Das Dorf war zum Empfange festlich geschmückt! Eigenartig war eine Ehrenpforte aus Walfischknochen, die bekanntlich aus den blühenden Zeiten der Borkumer Walfangfahrten stammen und auch heute noch als Einfriedigungen von Gärten erhalten sind. Rhode beklagt in seinem Jahresbericht für 1857, daß immer noch nicht die Kalamität in der Verproviantierung der Gäste behoben sei. Gäste, die ohne Kochtopf und Löffel hier ankommen, sind übel daran. Diejenigen die im Visserschen Zelt einen Tischplatz ergattert haben, klagen über Tischraum und tropische Hitze. Seit 1858 werden Badelisten, die bis dahin nur aus privaten Zusammenstellungen bestanden, offiziell geführt und durch die Ostfriesische Zeitung veröffentlicht.

 

Im Jahre 1860 übernahm Gastwirt Köhler aus Hannover, der jahrelang „auf Norderney servierte," den Uhlenkampschen Gasthof (hernach Köhlers Dorfhotel) und richtete regelmäßige table d'hôte ein. Einige Jahre später wurde von ihm auch die „Giftbude" am Strande erbaut, eine jener für den Strand der deutschen Nordseebäder typischen Erholungsstätten, die nach dem Bad auch den inneren Menschen die sattsam bekannten „giftigen Reizmittel" bieten. Aus dieser Giftbude ist allmählich das jetzt so imposante Strandhotel entstanden, das übrigens bei aufmerksamer Betrachtung in seinem Aeußern sein allmähliches Wachstum und drei Perioden seiner Baugeschichte erkennen läßt ― ein monumentales Dokument auch für die Entwickelungsgeschichte des Bades selbst.

 

Gleich nach 1860 entstanden transportable Badekutschen für Herren und Damen. Man stellte einen Badewärter an, und die Badezeit wurde durch Aufhissen einer Flagge angezeigt. Im Dorf und im Köhlerschen Gasthof waren Fluttabellen ausgehängt. So wuchs das Bad allmählich in seine Aufgaben hinein. Ein besonderes Verdienst um die zweckmäßige Ausgestaltung der öffentlichen Einrichtungen gebührt unbedingt dem allezeit rührigen, schriftstellernden Arzte Dr. Rhode; seiner gelegentlichen Bemerkung, daß er der Veranstalter aller seit zwölf Jahren bestehenden Badeeinrichtungen sei, kann kaum widersprochen werden.

 

Was im weiteren Verlauf der Jahre geschaffen wurde, gehört noch nicht der Geschichte an , sondern spielt schon in die Gegenwart hinein. All die neueren Einrichtungen, die getroffen wurden, um den höheren Ansprüchen zu genügen, die in der neueren Zeit naturgemäß an Hygiene und Badetechnik gestellt werden, zeugen von dem Ernst und Eifer, mit dem die von der Gemeinde, aus der Reihe ihrer Mitbürger gewählte Badekommission sich ihrer nicht immer, “dankbaren“ Aufgabe widmete. Auf Schritt und Tritt begegnet man so vielerlei Dingen, seien es Einrichtungen äußerer Art oder innere Verwaltungsvorschriften, die alle mit Umsicht und Beharrlichkeit haben bedacht und ausgeführt werden müssen und nun in ihrer Gesamtheit dem Bad den Charakter eines durchaus modern verwalteten Kur- und Badeorts geben. Wenn so auch die „Steine reden", so dürften noch einige Streiflichter auf die weitere Entwickelung des Bades von Interesse sein.

 

Was zunächst die äussere Gestaltung der Insel anbetrifft, die wie ihre Nachbarn dem zerstörenden Einfluß von Flut und Wellen in bedrohlichem Maße ausgesetzt ist, so haben die von der Regierung ausgeführten Buhnenbauten und die Strandschutzmauer ihren Zweck zum Teil erfüllt. Wären sie nicht gewesen, der Dünenwall wäre schon lange abgenagt und das Meer hätte Zutritt zur Binnenwiese gefunden, ein Ereignis, das sich beispielsweise auf dem benachbarten holländischen Eiland Rottum schon vollzogen hat und dort den dauernden Bestand der Insel ernstlich in Frage stellt. Mit dem Buhnenbau, der die Erhaltung des Strandes gegen die abspülende Wirkung von Flut- und Ebbeströmungen zum Zweck hat, wurde 1869 begonnen. Zum Schütze der Dünen wurde im Jahre 1874 an der gefährlichsten Stelle zunächst ein Pfahlwerk von 500 m Länge errichtet, später ging man zum Bau der Strandmauer über. Ende der sechziger Jahre begann man, auch Ost- und Westland von Borkum wieder miteinander zu verbinden, Jahrzehntelang war zwischen beiden eine durch den Einbruch des Meeres verursachte, fast eine halbe Stunde Weges breite, bei hoher Flut überschwemmte Niederung. Durch eingegrabene Strohbündel und durch Helmanpflanzungen beförderte man mit Erfolg die Neubildung von Dünen, und der heutige Dünendamm, das „Tüskendöör," sichert nach menschlichem Ermessen auf die Dauer die Verbindung.

 

Um die Heilmittel der Insel auch für schwächlichere Naturen mehr auszunutzen, zog schon 1853 Dr. Rhode in Erwägung, Einrichtungen zu treffen, um auch warme Seebäder verabreichen zu können. Aber erst 1875 kam es zum Bau der ersten Warm-badeanstalt, die 1894 ganz bedeutend erweitert wurde und danach von Jahr zu Jahr in der inneren Einrichtung immer mehr Verbesserungen erfuhr, besonders auch, als für die Lesehalle, die anfänglich in der Warmbadeanstalt untergebracht war, 1901 ein besonderes Gebäude aufgeführt wurde.

 

Ein völliger Umschwung in den Landungsverhältnissen auf der Insel vollzog sich mit dem Bau der festen Landungsbrücke an der Fischerbalge und der Inselbahn von dort ins Dorf, die 1888 in Betrieb genommen wurden. Bis dahin war die Landung recht unbequem. Man mußte vom Dampfschiff zunächst ins Boot steigen ― und bei unruhigem Wetter war das häufig eine recht üble Sache ― und vom Boot aus wurde dann der im Wasser die Gäste erwartende hochrädrige Wagen bestiegen, der auf endlos langem Weg vom Südoststrand seine Insassen ins Dorf brachte. Gelegentlich nur ― bei stillem Wetter ― konnte am Südstrand gelandet werden, wodurch die Fahrt ins Dorf wesentlich abgekürzt wurde, und es wurde schon als ein großer Fortschritt begrüßt, als von dem Emder Senator Dantziger hier eine hölzerne bewegliche Landungsbrücke gebaut wurde. Man kann sich heute kaum einen Begriff von den damaligen Kalamitäten machen, und man darf gerade den Bau der Inselbahn als eine der bedeutendsten Verkehrsverbesserungen bezeichnen. Ohne die feste Landungsbrücke und die bequeme Bahnfahrt wäre an eine Bewältigung des heutigen Verkehrs gar nicht zu denken. Im Zusammenhang mit dem Stationsgebäude der Bahn wurde 1888 auch das Postamt eröffnet. Ein ständiges Postamt war 1885 errichtet worden. 1863 wurde die erste Telegraphenverbindung mit dem Festland hergestellt.

 

Was die hygienischen Einrichtungen des Badeortes anbetrifft, so wurde zuerst im Jahre 1891 die Kanalisation angelegt, dann folgte 1895 das Schlachthaus, 1900 die Wasserleitung und in demselben Jahre auch die Gasanstalt.

 

Die Sorge für die kirchlichen Bedürfnisse hat sich nicht nur nach den Sommergästen gerichtet, sondern mußte auch der größeren Seelenzahl der ständigen Bevölkerung gerecht werden. Die alte Ortskirche, die am Fuß des „alten Leuchtturms" lag, wurde mit der Einweihung der neuen Evangelisch-reformierten Kirche im Jahre 1896 entbehrlich. Katholischer Gottesdienst wurde auf der Insel schon 1865 eingerichtet und die Katholische Kirche „Stella maris" wurde 1881 eingeweiht. Die Lutherische Kirche wurde 1897 erbaut.

 

Zur Umgestaltung des Ortsbildes trug wesentlich auch die Errichtung der Leuchttürme - 1876 der neue Leuchtturm, 1888 der elektrische Leuchtturm in Verbindung mit dem Ems-Leitfeuer - mit bei; dadurch ist Borkum die türmereiche Insel geworden Das war ein Geschenk, das ihr durch die Lage an der Emsmündung zufiel. Die Geschichte aber des Dorfes Borkum in den letzten 60 Jahren ist die Geschichte des Bades. Die gänzlich umgestalteten Erwerbsverhältnisse haben ein ganz neues Borkum entstehen lassen. Vor 60 Jahren war Borkum das einfache idyllische Inseldorf mit 80 Häusern, heute ist es ein stattlicher Ort mit vielen Hotels, eleganten Villen, zahlreichen öffen-lichen Gebäuden, Inselbahn, Post, Telegraph, Telephon (mit Anschluß an das Telephonnetz des Festlandes und Gesprächsverkehr nach den Hauptplätzen), Gas- und elektrischer Beleuchtung, Wasserleitung, Kanalisation, kurz ein Badeort größten Stils, der nach allgemeinem Urteile den Einfluß einer sorgsamen und soliden Verwaltung erkennen läßt. Eine nach festem Plane geregelte Bautätigkeit hat es mit sich gebracht, daß der Ort durchaus keinen unfertigen, sondern einen gepflegten netten Eindruck macht. Im Laufe der letzten Jahre haben alle Straßen, sowohl in den älteren, wie auch in den neu angebauten Teilen Pflasterung erhalten. Die Straßen-Abfallstoffe werden jeden Morgen in der Frühe abgekehrt und nach dem weit entlegenen Unratplatze gefahren, wo sie durch Vergraben beseitigt werden. Inzwischen ist das Straßennetz, auch außerhalb des Ortes, noch weiter ausgebaut. Nach dem Strande führen beispielsweise fünf breite und bequeme Straßen; die Bismarck-, Prinz Heinrich-, Strand-, Viktoria- und von Frese-Straße. Der hohe Dünenrand am Strande, der von Hotels und Logierhäusern wie von stolzen Palästen gekrönt wird, ist zur prachtvollen Kaiserstrasse ausgebaut, die in Verbindung mit den Hotel-Veranden eine großartige Meeres-Terrasse bildet ― eine Anlage, wie sie in dieser Ausdehnung und günstigen Lage kein anderes Nordseebad aufzuweisen hat. Einen monumental wirkenden Abschluß nach dem tiefer liegenden Strande hin hat diese hochgelegene Terrasse nunmehr durch die Wandelhalle bekommen, die in ihrem wesentlichsten, dem mittleren Teile, schon für die Kurzeit 1911 fertiggestellt war. Diese ganze neue Anlage umfaßt eine bequeme, geräumige Promenade mit Musikpavillon in unmittelbarer Nähe des Strandes und in Höhe der Strandmauer, die gleichzeitig umfangreich genug ist, um einen ungestörten Verkehr während des Strandkonzerts zu ermöglichen, und außerdem einen überdachten Raum, die eigentliche Wandelhalle, die auch bei weniger freundlichem Wetter einen geschützten Aufenthalt bietet. Das gewaltige Bauwerk ist dem früher offen liegenden Dünenabhang unmittelbar vorgebaut und schließt nach dem Strande hin mit der alten Strandmauer ab. Der Gesamtkostenaufwand beträgt eine halbe Million Mark. Die neue Promenade mit Wandelhalle liegt etwas tiefer als die Kaiserstraße, die bis dahin schon, wie oben erwähnt, eine unvergleichliche Meeresstraße bildete und nunmehr durch die architektonische wirksame Zinnenkrönung des Daches der Wandelhalle eine Verbindung mit der neuen Anlage erhalten hat, durch die ihr eigener bisheriger Charakter nur noch gehoben wird. Der mittlere zunächst hergestellte Teil von 170 Meter Länge hat zwei seitliche, mächtige Treppenanlagen, die von der Kaiserstraße zum Strande hinunterführen. Dazwischen ist die 8 Meter tiefe Wandelhalle eingebaut und davor liegt der 3000 Quadratmeter große Konzertplatz mit in der Mitte vorgelagertem Musikpavillon. In der Wandelhalle sind auf das modernste ausgestattete Garderoben- und Toilettenräume eingerichtet. Ein 250 Quadratmeter großer Mittelraum der Wandelhalle mit Büffetteinrichtung ermöglicht Einnahme von Erfrischungen auch am Strande. Ohne Ueberhebung darf von der neuerbauten Wandelhalle behauptet werden, daß kein deutsches Seebad etwas auch nur annähernd dem zu vergleichendes an die Seite zu stellen hat. Die Wandelhalle hat diese Strandpartie noch mehr, als es bisher der Fall war, zum Mittelpunkt des Badeverkehrs gemacht.

 

Eine, wenn auch unwesentliche Aenderung in dem Gesamtbild des Bades trat durch die Errichtung von Befestigungsanlagen ein; Borkum rückte damit in die Reihe der Seefestungen. Auf den Charakter und die Entwickelung des Bades hatte dies jedoch keinerlei Einfluß, Stieg doch die Besucherzahl, die 1906  21611 betrug im Jahre 1913 auf 30000.
Das Jahr 1914 hätte Borkum den Höchstpunkt in der bis dahin erreichten Besucherzahl mit über 35 000 gebracht, wäre nicht dieser unselige Krieg ausgebrochen.
Fluchtartig waren die Gäste gezwungen die Insel zu verlassen. Die Saison war unterbrochen. Unermeßlichen Schaden erlitten die Bewohner während der Kriegsjahre. Jeglicher Badeverkehr war gesperrt; die einzige Erwerbsquelle, das Bad, war versiegt.
Das Jahr 1919 brachte nach 5 Kriegsjahren die erste Saison. Nach Möglichkeit wurde versucht aus den von den Requisitionen der Heeresstellen noch übrig gebliebenen Resten die Badeeinrichtungen wieder aufzubauen. Erfreulicherweise brachte uns das Jahr 1919 13129 Gäste

 

Das Jahr 1920 zeigte einen Aufstieg. 20000 Gäste weilten in diesem Jahre zur Erholung auf unserer grünen Insel.

 

Wenn auch die Einrichtungen des Bades auf eine weit größere Zahl Besucher eingestellt sind, so ist doch wieder ein Anfang gemacht, der der Badeverwaltung und den Einwohnern den Mut gibt, rastlos auf Verbesserung der gesamten Badeeinrichtungen bedacht zu sein.
So wurde am Ausgang der v. Fresestrasse, gleich wie am Ausgang der Bismarckstraße, eine bequeme Rampe errichtet. Die Bootsbrücke wurde wieder hergestellt. Es erfolgte die Errichtung weiterer Badezelte, sodaß diese Einrichtungen selbst dem stärksten Andrang genügen. Die Toiletten am Strande wurden vermehrt, das Licht- und Luftbad verbessert. In diesem ist die Einrichtung getroffen, daß Luftbäder in besonderen Einzelzellen genommen werden können.

 

Das Warmbad hat ein elektr.-therapeuisches Ambulatorium, ausgestattet mit den modernsten Apparaten für Höhen-Sonne, elektr. Vibrationsmassage, elektr. Zellenbäder usw. erhalten.

 

Durch diese Einrichtung ist den vielseitigen Wünschen unserer Gäste, hauptsächlich aus Ärztekreisen, Rechnung getragen und somit die Möglichkeit gegeben, die natürlichen Heilkräfte der Nordsee mit den künstlichen zu verbinden.

 

Der weit verbreitete bedeutende Ruf unseres Bades der uns alljährlich ausser den ständigen Kurgästen zahlreiche neue Besucher zuführt, ist für uns ein Sporn gewesen, alle Neuerungen auf dem Gebiete der Ortshygiene und der Badetechnik in denkbar vollkommenster Form auszuführen.

 

Die der allgemeinen Wohlfahrt dienenden sanitären und hygienischen Einrichtungen des Orts, die im Laufe der Jahre unter großem Kostenaufwande geschaffen sind, stehen heute auf der Höhe der Zeit und entsprechen den weitgehendsten Anforderungen; sie bieten alle Gewähr für einen gesunden und bekömmlichen Aufenthalt.

 

 

Die Badedirektion.

 

 

 

 

Abschriften:

 

Borkum, Borchana, kleine Insel auf dem deutschen Meer, nicht weit von der Provinz Groningen, zu welcher sie auch gehört.

Aus Johann Hübners  reales Staats- Zeitungs- und Conversations- Lexicon, Leipzig 1782

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Borkum, die westlichste der ostfriesischen Inseln, vor der Mündung der Ems gelegen und zur preuß. Landdrostei Aurich gehörend, hat einen Umfang von 25 - 30 Kilom., einen 65 Meter hohen Leuchtturm und 394 Einw. Ein breites Watt theilt sie in zwei Theile. B. (das Fabaria des Drusus) ist seit 1856 zum Seebad eingerichtet und zählt jährlich über 1000 Badegäste. Vgl. Berenberg, Die Nordseeinsel B. (4. Aufl., Emden 1873).

Aus Meyers Konversations = Lexikon, Leipzig 1874

 

Anmerkungen:

  • Faba = Bohne; Drusus = Beiname eines Zweiges des röm. Geschlechts der Livier.
  • In Verbindung mit “Fabaria des Drusus” wird gleichwertig “Burchana des Plinus” ( Plinus - ca. 50 nach Christi) genannt. Es wird vermutet, dass es sich hierbei um die Großinsel “Bant” handelt, die nach Sturmfluten im Mittelalter ( 1200 - 1400) in die Inseln Borkum, Bant, Juist und Buise zerrissen worden ist.
  • Der Name Borkum lässt sich vermutlich über die folgende Namenkette herleiten:  Burchana -> Borkna -> Borkyn -> Borkum.

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Borkum, ostfriesische Insel, Seebad, 3200 E.

Aus Knaurs Konservationslexikon, Berlin 1932

 

 

 

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