Oostfreiske Spökenkiekers
Ostfriesische Hellseher
In Oostfreisland hett dat alltied Mensken geven, dej
vörut kieken könen, dej di seggen kunnen, wat in
koomende Tied gebört.
In Ostfriesland hat es immer Menschen gegeben,
die voraus sehen konnten, die dir sagen konnten,
was in der kommenden Zeit passiert.
Gepke wohnde in Moordörp, was Mauder was söven
Kindern. Seej was eine van de stille Mensken, noit
eine mit ein Beck as ein Skeermess.
Gepke wohnte in Moordorf, war Mutter von sieben
Kindern. Sie war eine von den stillen Menschen, nie
vorlaut mit einer großen Klappe.
Dat was um dat Jahr 1936 off 1937, as seej hör
Kinder van ein Dröm vertellde, dej seej letzde Nacht
hatt harr. Up dat Greunland tüsken hör Hoff un de
Landstrate na Viktorbur wassen büllten Mensken
west, frömde Lü, kein Moordörpers off ander
Bekennde. Mutten wall Soldaten west hebben,
tauminnst harr dej Mannlü ein Uniformjäckert an
hatt un uk ein Gewehr.
Es war um das Jahr 1936 oder 1937, als sie ihren
Kindern von einem Traum erzählte, den sie letzte
Nacht gehabt hatte. Auf dem Grünland zwischen
ihrem Hof und der Landstraße nach Victorbur
waren viele Menschen gewesen, fremde Leute,
keine Moordorfer oder andere Bekannte. Es müssen
wohl Soldaten gewesen sein, zumindest hatten die
Männer eine Uniformjacke an und auch ein Gewehr.
Un seej harrn pieleliek in ein Riege stahn. Man de
Keerls harr kein Brauk an, stunnen da mit ein Rock
an. Un Musik was d'r uk west. Aber kein Tuters off
Trummels, ein heil besünder Klang, dej seej noch
noit hört harr. Ein rare Dröm.
Und sie hätten genau in einer Reihe gestanden.
Aber die Männer hatten keine Hosen an, standen da
im Rock. Und Musik ist da auch gewesen. Aber
keine Blasinstrumente oder Trommeln, ein ganz
besonderer Klang, den sie vorher noch nie gehört
hatte. Ein merkwürdiger Traum.
Jahren later - man skreev dat Jahr 1945 - was de
Krieg (fraúger see man von Oorlog) vörbi. Dütsland
harr verloren un de Engelsmann was Baas.
Kwammen uk na Moordörp un ein paar Dage later
was ein groote Siegesparade. Un da stunnen de
Schotten mit ein Kilt an un de Dudelsack spölde.
Jahre später - man schrieb das Jahr 1945 - war der
Krieg (alter Ausdruck aus den Niederlanden -
Oorlog) vorbei. Deutschland hatte verloren und die
Engländer hatten das Sagen, die Macht, waren Chef.
Kamen auch nach Moordorf und ein paar Tage
später war eine große Siegesparade. Und das
standen die Schotten mit einem Kilt an und der
Dudelsack spielte.
Gepke wees mit trillende Fingers na dej Lü un reip:"
Dat hebb ik all seihn, vör de Krieg, in mien Dröm!"
Gepke wies mit zitternden Fingern zu den Leuten
und rief: " Das habe ich alles gesehen, vor dem
Krieg, in meinem Traum!"
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Mien Grootvader Jan Jochems Bekaan (1873 - 1944)
was kein Spökenkieker, man bitieden hett heej
Saken vertellt, dej erst Jahren later wiss intruffen
bin.
Mein Großvater Jan Jochems Bekaan (1873 - 1944)
war kein Hellseher, aber bisweilen hat er Sachen
erzählt, die erst Jahre später bestimmt eingetroffen
sind.
Vör Jahr un Dag leip heej mit eine van sien veier
Dochders over de olde Diek. Dat mutt wall in de
twinteger Jahren west hebben, tauminnst was de
neeje Diek noch neit bout, dat kwamm erst in de
darteger Jahren.
Vor vielen Jahren (vor Jahr und Tag) lief er mit eine
seiner vier Töchter über den alten Deich. Das muss
in den zwanziger Jahren gewesen sein, zumindest
war der neue Deich noch nicht gebaut, das kam erst
in den dreißiger Jahren.
Bi störms Weer kwamm dat Water noch bit an de
Diek un Opa keek over dej allemachdege Kuntrei un
see tegen sien lüttje Dochder: " In Stück off wat
Jahren stahn hier büllten Husen an grote Straten!"
Tau dej Tied hett dat keineine löövt, man vandage is
dat so.
Bei stürmischem Wetter kam das Wasser noch bis
an den Deich und Opa guckte über das riesige
Gelände und sagte zu seiner kleinen Tochter:" In
einigen Jahren stehen hier viele Häuseer an großen
Straßen!" Zu jener Zeit hat das keiner geglaubt,
aber heute ist es so.