Alt - Borkum Der Strand um 1901 Der Strand um 1883 T O P T O P
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Erinnerungen an Klaasohm in der Kinderzeit.
Klaassohm - hier up an! Klaassohm - hier up an!
Jan Schneeberg
Hinweis: Da auch die plattdeutsche Sprache - wie grundsätzlich jede Sprache - oft erst sinnentnehmend erschließbar wird, wurden zum besseren Verständ- nis der Sprachbildung an speziellen Stellen eine fast wörtliche Übersetzung von Teilsätzen und Begriffen innerhalb runder Klammern ( .. ) aufgezeigt.
Sprachausgabe des plattdeutschen Textes!
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Klaassohm - hier up an! Ut unse Kindertied
Klaasohm - hier her Aus unserer Kinderzeit
Klaassohm, de hoogste Fierdag in't Jahr!
Klaasohm - der höchste Feiertag im Jahr.
Wi, de Kinder, wassen noch lüttjet, gungen noch neit na de Skaule.
Wir, die Kinder, waren noch klein, gingen noch nicht zur Schule.
Man in disse Tied, daar lagg wat in de Lücht, heil wat Besünders.
Aber in dieser Zeit lag etwas in der Luft, etwas ganz Besonderes.
Dagen vörtied, bi ein Loopke over de Strand, kwammen wi uk an dat groote Kaap.
Tage vorher, bei einem Spaziergang über den Strand, kamen wir auch an das große Kaap.
Kiek, see Vader, daar liggen seej under, de groote Klaasohms. So ein bitje gruselk was eine all taumaude un wi Kinder gungen in ein Boge an dat Kaap vörbi.
Sieh, sagte Vater, da liegen sie drunter, die großen Klaasohms. So ein wenig gruselig war einem schon zumute und wir Kinder gingen in einem (großen) Bogen an dem Kaap vorbei.
Un ein Dag för Klaasohm see Mauder: Hest dien Teller uk all upstellt bi de Verwandtskupp, bi de Tanten?
Und einen Tag vor Klaasohm sagte Mutter: Hast du deinen Teller auch aufgestellt bei der Verwandt- schaft, bei den Tanten?
Mit ein Greunkohlblatt un ein Schiewe Swartbrood van Oma gung dat ankerup. De Teller kwamm in de Benaate van't Fenster, daar kann de Klaasohm hum futt griepen. Dat Swartbrood is för hum un de greune Kohl för sien Peerd! Man bit vandage hebb ik noit ein Klaasohm up Peerd seihn.
Mit einem Grünkohlblatt und einer Scheibe Schwarzbrot von Oma ging es los. Der Teller kam in der Nähe vom Fenster, da kann Klaasohm sie schnell greifen. Das Schwarzbrot ist für ihn und der grüne Kohl für sein Pferd. Aber bis heute habe ich noch nie einen Klaasohm auf einem Pferd gesehen.
Hebben de Olden uns för Narr brukt? An de Mörgen na Klaasohm gungen de Kinder weer na de Verwandtskupp. Un wiss: greune Kohl un Swartbrood was weg un up de Teller lagg ein Stutekeerl, off Klaasohm up Peerd (kiek: doch ein Peerd!) un mennegmal uk ein Bankettname mit de erste Buchstabe van dien Vörname.
Haben die Eltern uns zum Narren gehalten? Am Morgen nach Klaasohm gingen die Kinder wieder zur Verwandtschaft: und siehe (ganz bestimmt), der grüne Kohl und (das) Schwarzbrot war weg und auf dem Teller lag ein Stutenkerl oder Klaasohm auf dem Pferd (guck mal: doch ein Pferd) und manchmal auch ein Bankettname mit dem ersten Buchstaben von deinem Vornamen.
Un dann wassen de Olden an't akkedeiern: Sall de Klaasohms binnen komen off neit? Heil frauger, so vertellen de olde Lü, kwamm Klaasohm in völe Husen. De Familie satt achtern in de Köken tau wachten, de Vördör was open. Un dann sware Treden dör de lange Flur un dann stunnen seej da, groot un steweg, mit ein allemachdege Helm mit Kabejuken. Lelk wassen de Klaasohms noit, leivhardeg bi Kinder un olde Lü. Un dann mussen de Kinder hör Gedicht upseggen, daar luurt de Klaasohm up:
Und dann waren die Eltern am diskutieren: Soll der Klaasohm rein kommen oder nicht? Ganz früher, so erzählten die alten Leute, kam (der) Klaasohm in viele Häuser. Die Familie saß hinten in der Küche zu warten, die Vordertür war offen (nicht abgeschossen). Und dann schwere Tritte durch den langen Flur und dann standen sie da, groß und kräftig, mit einem riesigen Helm mit Mövenflügel. Böse waren die Klaasohms nie, und liebherzig zu Kindern und alten Leuten. Und dann mussten die Kinder ihr Gedicht aufsagen, da wartete der Klaasohm drauf.
Sünderklaas du gaude Blaut, geev mi ein Stückje Zuckergaud, neit tau völ un neit tau minn, smiet man tau de Schöstien in! Mit ein Endje Band daran, dat ik't uk berecken kann!
Sünderklaas, du lieber Kerl, gib mir ein Stückchen Zuckergut, nicht zu viel und nicht zu wenig, wirf es in den Schornstein rein! Mit ein Stückchen Band daran, dass ich es auch erreichen kann!
Dat Sprökje kunn ik uk. As lüttje Fent stunn ik bi Zimmermann - tegenover van't Raadhuus - in de Winkel, in de Laden, as de Klaasohm drinbrusen de, kwamm ik neit wieder as dreej off veier Woorden, daar harr ik all ein Stück Moppe in de Mund, dat ik nix mehr seggen kunn. Uk bi Hofferbert was de Laden over lange Jahren noch open. För de Klaasohms un vör ander Lü. De Keerls kregen ein Söpke, de Kinder ein Kaukje.
Diesen Spruch kannte ich auch. Als kleiner Junge stand ich bei Zimmermann - gegenüber vom Rathaus - im Lebensmittelgeschäft (Winkel - holländisch), als der Klaasohm reinstürmte, kam ich nicht weiter als drei oder vier Worte, da hatte ich schon ein Stück Moppe (Sirupgebäck) im Mund, dass ich nichts mehr sagen konnte. Auch bei Hofferbert war der Laden {Eisenwaren, Strandbedarf usw., gegenüber dem ehemaligen Central-Hotel am Rathaus} über viele Jahre noch offen. Für die Klaasohms und für andere Leute. Die Männer bekamen ein kleinen Schnaps und die Kinder einen Keks.
Was ik bi Tante Klasina un Onkel Georg in dat Huus van Johann Drost un de Onkel kwamm van de Firma - dat was de Kleinbahn- see heej: Ik hebb seihn, dat de Junges de Klaasohms utgraven hebben. Nu mutten seej sück hemmeln, achteran utmaken, well't Seggen hett un dann sall seej wall futt komen.
War ich bei Tante Klasina und Onkel Georg in dem Haus von Johann Drost und der Onkel kam von der Firma - das war die Kleinbahn - sagte er: ich habe gesehen, dass die Jungens den Klaasohm ausge- graben haben. Nun müssen sie sich säubern, hinterher abmachen, wer das Sagen hat und dann werden sie wohl gleich kommen.
Mien Mauder - ik was all bi de Lüttjen - leit de Klaasohms uk binnen, man bloot de Mauders mit hör Kinder. Moij leit dat Bild as dej Lüttjen mitnander in de Köken satten - mit grote Ogen un Hartjepuckern.
Meine Mutter - ich war schon bei den Kleinen (Klaasohms) ließ den Klaasohm auch rein, aber nur die Mütter mit ihren Kindern. Schön sah das Bild aus, wenn die Kleinen zusammen in der Küche saßen, mit großen Augen und Herzklopfen.
De oldere Börkumer Heeren satten in de Kraug. "De Klaasohm kummt, Glasen van de Tavel!" Dat kunn wall mal geböhren, dat in all dat Gedrüüs wat klatten gung, man noit maudwilleg.
Die alten Borkumer Männer saßen in der Kneipe. "Derr Klaasohm kommt. Gläser vom Tisch!" Das konnte schon mal passieren, dass bei dem Gedränge etwas kaputt ging, aber nie mutwillig.
Dat liggt ja nu Jahren taurügg un de Tied kann man noit taurügg dreihen. Man dat is doch alltied weer moij, as de Klaasohms mit dat jentege Wievke anfleigen kummt, mit de Hoorn tau tuten un de Büssen tau rappeln un de heerleke Düwelsgeigen.
Das liegt ja nun Jahre zurück und die Zeit kann man nicht zurückdrehen. Aber es ist doch immer wieder schön, wenn die Klaasohms mit dem beweglichen Wievke angestürmt kommen, mit den Hörner zu tuten und den Dosen zu rappeln und den herrlichen Teufelsgeigen.
Un as d'r noch olle Fründen van de faste Walle bin, dej man lang neit seihn hett, dann tinkeln uk bi olde Keerls de Ogen. Tiss ein büllte Volk up Padd, mehr as frauger, un as seej all mitnander ein bitje verstandeg bin un Bott maken un sück neit in de Klatten kriegen, dann sall dat wall dit Jahr heil moij wesen,
Und wenn das noch Freunde vom Festland sind, die man lange nicht gesehen hat, dann glänzen bei den alten Kerlen die Augen. Es sind viele Leute auf der Straße, mehr als früher, und wenn sie alle Ver- ständnis haben und Platz und sich nicht in die Wolle kriegen, dann wird es dieses Jahr bestimmt wieder schön werden,
de Börkumer Klaasohm.
der Borkumer Klaasohm.
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